Gibran Khalil Gibran – Leben und Werk

Der Dichter und Maler Gibran Khalil Gibran aus dem Libanon ist einer der bekanntesten Künstler aus dem Orient. Unvergessen bleibt sein Werk “Der Prophet”, das millionenfach verkauft wurde und ihm einen nahezu unsterblichen Ruf bescherte. Doch wer war der Künstler hinter dem Propheten? Sein Leben könnte die Vorlage für einen Roman bieten, so viel Tragik wird darin offenbar:

  • Geboren als Kind armer Eltern im malerischen Bsharree im Wadi Qadischa, Libanon im Jahr 1883
  • Auswanderung aus dem Libanon in die USA 1895
  • Entdeckung als Künstler, Förderung durch den reichen Mäzen Frederick Holland Day ab 1896
  • Unzählige Affären und Liebesgeschichten ab seinem 15. Lebensjahr
  • Fortwährende Streitigkeiten mit dem Vater, der Dichtung für brotlose Kunst hält
  • 1902-1903: innerhalb eines Jahres sterben seine Geschwister und seine Mutter
  • Veröffentlichung erster Artikel und Werke ab 1905
  • Immer wieder Rückschläge durch schwere Krankheiten
  • 1923 veröffentlicht er den Propheten, das sofort die Verkaufscharts stürmt und im November noch immer auf Platz 1 steht
  • Am 09.April 1931 stirbt er nach langer, schwerer Krankheit
  • Am 10.01.1932 wird er im Kloster Mar Sarkis in Bsharre im Libanon beigesetzt.

 

Das Werk von Gibran Khalil Gibran

The Music, 1905, dt. Die Musik
Spirits Rebellious, 1908, dt. Rebellische Geister
The Broken Wings, 1912, dt. Gebrochene Flügel
A Tear and A Smile, 1914, dt. Eine Träne und ein Lächeln
The procession, 1918
The Madman, 1918, dt. Der Narr
The Forerunner, 1920
The Prophet, 1923, dt. Der Prophet
Sand and Foam, 1926, dt. Sand und Schaum
Jesus, the Son of Man, 1928, dt. Jesus Menschensohn

Postume Veröffentlichungen:

The Earth Gods, 1931
The Wanderer, 1932, dt. Der Wanderer
The Garden of the Prophet, 1933, dt. Der Garten des Propheten
Lazarus and his Beloved, 1933

Biographie von Gibran Khalil Gibran

Gibrans Eltern

Bereits die Herkunft von Gibran Khalil Gibran ist ein Mythos – seine Familie proklamiert, dass ihre Wurzeln auf die Chaldäer zurück. Auch Genialität wurde angeblich in der Familie mitvererbt. Seine Mutter Kamila wurde 1858 geboren. Mit 18 wollte sie ins Kloster. Ihr Vater war Priester, der von der maronitischen Kirche exkommuniziert wurde, als er an einer Hochzeit teilnahm, die politische Verwicklungen mit sich brachte. Doch nach 12 Jahren wurde die Ehe doch rechtskräftig. Der Vater verbot daraufhin seiner Tochter, ins Kloster zu gehen. Er verheiratete sie mit einem Cousin. Gibrans Halbbruder Boutros wurde 1877 geboren. Kamilas Mann ging nach Brasilien und starb dort. Schon 2 Jahre nach der Hochzeit musste sie deswegen zu ihrem Vater zurückkehren – und heiratete 1880 erneut. Es handelte sich um eine Vernunftehe, wegen der Impotenz des Ehemannes wieder aufgelöst wurde. Kamila lernte schließlich Khalil kennen und heiratet 1881 erneut. Die Dorfbewohner waren gegen diese Ehe, weil sie schon zusammenlebten, bevor die zweite Ehe annuliert worden war.
Sie liebten sich, aber die Ehe war nicht glücklich.
Gibrans Vater wurde 1852 in Bsharre geboren (+1909). Er war jähzornig und mochte Arrak, konnte aber wohl auch liebenswürdig sein. Und obwohl er maronitischer Christ war und somit der am weitesten verbreiteten christlichen Religionsgemeinschaft im Libanon angehörte, hatte er nichts gegen Orthodoxe Christen.

Kindheit in Bsharre

Am 06.01.1883 wurde Gibran geboren. Er war kein einfaches Kind, nur seine Mutter verstand ihn. Sie ahnte wohl schon früh sein künstlerisches Talent. Gibran war einsam und still als Kind, aber voll innerer Ressourcen. Der Vater war Steuereintreiber und kam wegen angeblicher Veruntreuung 1891 für drei Jahre ins Gefängnis. Die Behörden zogen sein Geld ein und beschlagnahmten seinen Besitz.
Der achtjährige Gibran sah es mit an. Es nahm ihn sehr mit – insbesondere auch die Traurigkeit seiner Mutter.
Gibran hatte einen Unfall, seine Schulter musste wieder eingerenkt und geschient werden gebunden werden. 40 Tage lang dauerte die Tortur. Vielleicht kam daher seine Identifizierung mit Jesus. Seit dem (er war 11) wuchs er auch nicht mehr.

Gibran ging auf die Grundschule in Bsharre, die von Mönchen geleitet wurde. Er lernte die Psalmen von David auswendig (wohl freiwillig) und baute später nach dem Schema seinen Propheten auf.
Er knüpfte Freundschaft mit dem 18 Jahre älteren Dorfarzt und-dichter Salim Hanna al-Dahir (*1865 in Bsharre) und galt eher als Dorfdepp, versetzte aber manchmal seine Klassenkameraden durch intelligente Bemerkungen in Erstaunen. Die Schule interessierte ihn nicht so sehr.

Die Auswanderung

Als der Vater wieder in Freiheit war, trank er zunehmend. Die Ehe war alles andere als glücklich. Das Dorf klatschte über sie. Khalil konnte seine Familie nicht mehr ernähren. Deswegen beschloss Kamila, auszuwandern. Sie verkaufte, was sie noch hatet. Wegen wirschaftlicher Not im Libanon (Krankheit der Weinreben, Seidenproduktion in Konkurrenz mit u.a.China nach Öffnung der Märkte durch den Suezkanal) emigrieren viele in dieser Zeit – und schicken Geld nach Hause.
Am 25. Juni 1895 erreichten Kamila, Gibran und seine Geschwister Boutros, Sultana und Mariana New York. Sie fanden Unterkunft in Bosten bei entfernten Verwandten. Nach New York war die syrische Gemeinde in Boston die größte der USA. Kamila wurde Hausiererin mit Bauchladen. Gibran ging in die Schule. Aufgrund eines Fehlers wurde er dort als Kahlil Gibran registriert. Die Schreibweise findet sich noch immer. Seine Schwestern gingen nicht zur Schule. Gibran beschrieb die ersten zwei Jahre in Boston als die unglücklichsten in seinem Leben. Allein manche Lehrer waren nett zu ihm und erkannten sein Talent. Kamila raffte genug Geld zusammen, um Boutros einen kleinen Laden kaufen zu können.

Die Wende

Die Zeichnung einer Statue gefiel einer Lehrerin, die Gibran mit einer Sozialassistentin bekannt macht. Diese schrieb an Frederick Holland Day, der so ziemlich alles war: Avantgardist, Schriftsteller, Verleger, Fotograf, Historiker. Dieser befand sich 1896 auf dem Höhepunkt seiner Kariere (mit 32 Jahrens) und beschloss, sich des jungen Gibran anzunehmen und sein Talent zu fördern. Day machte Photos von Gibran und seinen Schwestern, womit sie ein bisschen Geld verdienten. Nach zwei Jahren Schule konnte Gibran bereits Englisch sprechen und schreiben.

1898 begann er, Bücher und Einbanddeckel für copeland-and-day zu illustrieren. Die Bilder von Day mit Gibran als Scheich wurden bekannt – genau so wie Gibrans Zeichentalent. In dieser Zeit lernte er die damlas 24-jährige Josephine Preston Peabody kennen. Sie hatte schon früh mit dem Dichten angefangen und kam aus einer künstlerischen, aber armen Familie. Gibrans Mutter wollte
Gibran – er war 15 –  nicht so schnell der Welt und einer interessierten Öffentlichkeit aussetzen.
Deswegen schickte sie ihn zurück in den Libanon, um die Schule zu beenden. Grundsätzlich war Gibran jedoch nicht so unerfahren, wie seine Mutter wohl glaubte, denn er hatte mit 14 bereits eine Affäre mit einer 30-jährigen Frau. Gibran wollte zurück in den Libanon. Seine Gönner waren zwar skeptisch, sahen es aber trotzdem als Chance für den jungen Dichter.

Rückkehr in den Libanon

Obwohl Gibran weder vernünftig Hocharabisch noch Englisch spracht, setzte er sich durch und wurde nicht gemäß seines Kentnisstandes, sondern seines Alters eingestuft. Er lernte schnell, war jedoch ein rebellischer Schüler, der nur lernte, was ihm gefiel.In dieser Zeit las er arabische Fabeln wie Khalila und Dimna, Das Buch der Lieder von Abu al-Faraj al-Isfahani über das Leben der Araber vor dem Islam, die Muqaddima von Ibn Khaldoun, den Diwan von Mutanabbi und die Bibel auf arabisch – Werke, die sein eigenes literarisches Werk inspirieren sollten.
1899 begannt er mit “Damit das Universum gut sei”, der Vorläufer des Propheten. Mit seinem Freund Yussuf al-Huayik gab er die Zeitung al-Manara, al-Haqiqa, an-Nahda (der Leuchtturm, die
Wahrheit, die Renaissance) heraus.

Inspiration zu “Die gebrochenen Flügel”

Seinen Vater besuchte Gibran in den Ferien, wurde mit ihm jedoch nicht warm. Gibran und sein Vater zerstritten sich schließlich – der Vater hielt Dichtung für brotlose Kunst – und Gibran musste zeitweise in einem Kellerloch wohnen. Trost fand er  im den Höhlen des Wadi Qadischa und bei den Zedern des Herrn. Er verliebte sich wohl in Hala aus dem Hause Tannus ad-Dahir, die Schwester des Notars von Bscharre. Die Verbindung war aufgrund der finanziellen Situation von Gibran jedoch unmöglich und sie mussten sich trennen. Hala gilt als Inspiration für Gibrans Novelle “Die gebrochenen Flügel” (al-Ajniha al-Mutakassira). Eine weitere Inspiration war die von hoher gesellschaftlicher Stellung und kultivierte Sultana Tabit, die Schwester eines Freundes, die schon Witwe war. Sie starb nach 4 Monaten Bekanntschaft. Nach ihrem Tod fanden sich Liebesbriefe an Gibran, die sie ihm jedoch nie geschickt hatte. Beigesetzt wurde sie in dem Pininenhain, in dem Salma aus “Die gebrochenen Flügel” bestattet wurde.
Finanziell ging es Gibran bald wieder besser, denn er hatte in den USA eine gewisse Bekanntheit erlangt und Hollad-Day schickte ihm Geld. Er wurde darum im Libanon beneidet.

Rückkehr in die USA

Die Rückkehr in die USA wurde von schweren Schicksalsschlägen überschattet. Noch vor seiner Rückker starb seine Schwester Sultana an Tuberkulose. Sein Bruder erkrankte ebenfalls. Nach seiner Rückkehr nach Boston wurde seine Mutter Kamila mit einem Tumor ins Krankenhaus eingeliefert. Am 12. März 1903 starb Butros, kaum 26 Jahre alt. Am 28.6. starb Kamila.
Gibran trifft sich davor und danach oft mit Josefine, sie sind nahezu unzertrennlich. Doch die Beziehung stumpft ab und schließlich trennte sie sich von ihm. Finanziell gelingt es ihm, Schulden abzubezahlen und den Laden von Butros zu verkaufen.