Die schöne Lau ist eine sagenhafte Gestalt, die uns mit ihrer Anmut verzaubert. Es handelt sich um ein Märchen von Eduard Mörike und wurde 1853 erstmals publiziert. Die Geschichte findet sich in seinem Werk “Das Stuttgarter Hutzelmännlein”. Der Aufbau des Märchens ist mehrschichtig. Es gibt eine Rahmenhandlung, die Geschichte des Liebespaares Seppe und Vrone, wobei die Erlebnisse der beiden über weite Strecken unabhängig voneinander sind, erst ganz am Ende werden beide Teile zusammengeführt. Dem eingefügt ist als umfangreichere Binnenhandlung das Märchen von der schönen Lau und zwei kurze Geschichten, die von dem Alchemisten Weyland handeln.

Hinweis: Unten auf der Seite unter dem Märchen befindet sich ein von Mörike geschaffener Anhang, der schwäbische Ausdrücke erklärt.

Die Sage spielt am Blautopf, einer faszinierenden Karstquelle und Eingang zu einem gewaltigen Höhlensystem in Blaubeuren auf der Schwäbischen Alb.

Mehr lesen: Kraftort Blautopf – Eintritt und Öffnungszeiten

Die Sage von der schönen Lau

Hinweis: Die Geschichte wurde leicht mit KI abgewandelt und lesbarer gemacht.

Wer das Original lesen möchte, findet hier eine schöne bebilderte Ausgabe:

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Die schöne Lau

Auf der Alb bei Blaubeuren gibt es den Blautopf. Morgen fließt ein kleiner Fluss in die Donau. Der Teich ist wie ein tiefer Trichter, das Wasser ist blau und sieht hell aus, wenn man es schöpft. Unten saß eine Wasserfrau mit langen Haaren. Sie sah aus wie ein schönes, natürliches Weib, bis auf die Schwimmhaut zwischen den Fingern und Zehen. Die Haut war blühweiß und zarter als ein Mohnblatt. In der Stadt steht noch heute ein altes Gebäude. Früher war es ein Kloster für Frauen. Später wurde es in eine große Wirtschaft umgewandelt. Deshalb wurde es Nonnenhof genannt. Dort hing vor sechzig Jahren noch ein Bild von dem Wasserweib. Trotz Rauch und Alter war es noch erkennbar. Sie hatte die Hände kreuzweise auf die Brust gelegt. Ihr Gesicht war weißlich, das Haar schwarz, die Augen sehr groß und blau. Die Leute nannten sie “die arge Lau” oder “die schöne Lau”. Sie war mal böse und mal gut zu den Menschen. Wenn sie den Gumpen 3) ignorierte, hatten Stadt und Kloster Probleme. Dann brachten ihr die Bürger Geschenke, um sie zu besänftigen. Die Mönche wollten nicht, dass man Gold- und Silbergeschirr, Becher, Schalen, kleine Messer und andere Dinge benutzt, weil sie dachten, dass das heidnisch ist und Götzendienst. Deshalb haben sie dafür gesorgt, dass man diese Dinge nicht mehr benutzt. Die Wasserfrau mochte das Kloster. Wenn Pater Emeran die Orgel spielte und niemand da war, kam sie am hellen Tag mit einem Kranz aus Blättern auf dem Kopf und anderem Schmuck um den Hals herauf.

Ein junger Hirte belauschte sie im Gebüsch und rief: “Hallo, Laubfrosch! Hast du gute Nachrichten?” Sie fuhr sehr schnell und sehr schnell raus, packte den Jungen am Schopf und riss ihn mit hinunter in eine ihrer nassen Kammern. Dort wollte sie ihn ohnmächtig werden lassen, bis er verrottet war. Bald kam er wieder zu sich und fand eine Tür. Er ging durch viele Zimmer in einen schönen Saal. Hier war es im Winter schön. In einer Ecke brannte eine Ampel als Nachtlicht. An den Wänden hingen schöne Teppiche und Bilder. Der Junge nahm das Licht vom Stock und sah sich um. Er holte etwas aus dem Schrank, das in einem Beutel war. Es war schwer und glänzte wie Gold. Er lief und kam zu einem sehr dicken Tor. Das war wohl zwei Fäuste dick. Er schob den Riegel zurück und stieg eine steinerne Treppe mit vielen Stufen auf. Am Ende stieß er auf ungeräumte Klüfte. Da musste er das Licht dahinter lassen. Er kletterte noch eine Stunde lang im Dunkeln, dann brachte er den Kopf aus der Erde. Es war tief Nacht und er war im Wald. Als er nach vielem Irren endlich bei Tagesanbruch den richtigen Weg fand und vom Felsen aus das Städtchen unten erblickte, verlangte er am Tag zu sehen, was in seinem Beutel sei. Darin war nichts als ein Stück Blei, ein langer, schwerer Kegel mit einem Öhr an seinem oberen Ende, weiß vor Alter. Im Zorn warf er den Plunder weg, ins Tal hinab. Später sagte er zu niemandem, dass er etwas gestohlen hatte, weil er sich schämte. Er verriet die Adresse der Wohnung der Wasserfrau.

Die schöne Lau kam nicht hierher. Sie war die Tochter eines Fürsten und die Frau eines alten Donaunix am Schwarzen Meer. Ihr Mann hat sie rausgeschmissen, weil sie tote Kinder hatte. Sie war immer traurig, ohne Grund. Die Schwiegermutter hatte ihr gesagt, dass sie eher nicht gesund wird, bevor sie fünfmal von Herzen lacht. Beim fünften Mal muss es etwas geben, das sie nicht wissen darf, auch der alte Nix nicht. Es klappte nicht, obwohl ihre Leute sich sehr anstrengten. Der alte König mochte sie nicht bei sich im Hof haben. Er schickte sie zu seiner Schwester, die in der Nähe der Donau wohnte. Die Schwiegermutter hatte ihr viele Dienstmädchen mitgegeben. Es waren muntere und kluge Mädchen, die wie Enten auf ihren Zehenspitzen liefen. Sie zogen sie sechsmal am Tag anders an. Sie erzählten ihr alte Geschichten und spielten Musik, tanzten und scherzten vor ihr. Der Hirtenbub war in einem Saal, der der Fürstin als Gaden oder Schlafgemach diente. Von dort ging eine Treppe in den Blautopf. Sie lag oft kühl. Sie hatte auch lustige Tiere wie Vögel, Küllhasen und Affen. Vor allem hatte sie einen possigen Zwerg. Der hatte vormals einem Ohm der Fürstin von Traurigkeit geholfen. Sie spielte mit ihm Schach, Damenziehen oder Schaf und Wolf. Immer, wenn er einen ungeschickten Zug tat, schnitt er ein ärgerliches Gesicht. Sogar Salomo hätte darüber gelacht. Die Kammerjungfern und du hättest es nicht überlebt. Bei der schönen Lau schlug gar nichts an, sie verzog nur ein paar Mal den Mund. Zu Beginn des Winters kamen alle Jahr Boten von daheim. Sie klopften an der Halle mit dem Hammer und fragten die Jungfern:

Wer sagt denn, dass einem das Herz in der Brust schlägt?

Die Leute sagten:

Der König schickt.

Sagt uns die Wahrheit.

“Was gut ist, habt ihr geschafft.”

Sie sagten:

Wir haben die Lieder gesungen.

Sie tanzten und sprangen.

Sie haben knapp gewonnen. –

Kommt, liebe Herren, übers Jahr.«

So zogen sie wieder nach Hause. Die Frau war vor der Botschaft traurig. Danach war sie noch trauriger.

Im Nonnenhof lebte eine Wirtin namens Frau Betha Seysolffin. Sie war fromm, freundlich und gütig. Sie kümmerte sich besonders um arme Reisende. Die Wirtschaft wurde von ihrem ältesten Sohn Stephan geführt. Der war verheiratet. Ein anderer Sohn, Xaver, arbeitete als Klosterkoch. Außerdem hatte sie noch zwei Töchter. Sie hatte einen kleinen Küchengarten vor der Stadt. Im Frühling, als sie ihre Beete richtete, sah sie das schöne blaue Wasser über dem Zaun und daneben einen alten Schutthügel. Nachdem sie fertig war, machte sie das Gartentürchen zu und hackte das Unkraut. Sie sammelte Kürbiskerne aus ihrem Samenkorb und steckte sie in den Haufen. Der Abt im Kloster fand die Wirtin hübsch. Er war selbst über vierzig, aber sah noch jung aus. Er grüßte die Wirtin von seinem Fenster aus. Die Wüste blühte den ganzen Sommer, was toll war. Im Herbst hingen große gelbe Kürbisse an dem Abhang bis zum Teich herunter.

Die Wirtstochter Jutta ging in den Keller. Dort war ein offener Brunnen mit einem steinernen Kasten. Als sie das Licht sah, erschrak sie, als sie die schöne Frau im Wasser sah. Sie erzählte es ihrer Mutter. Die Mutter fürchtete sich nicht und stieg allein hinunter. Sie wollte nicht, dass ihr Sohn sie beschützt, weil sie nackt war.

Der komische Gast sagte diesen Gruß:

Die Wasserfrau kommt.

Er ist gekrochen und geschwommen.

Durch enge, steinige, wüste und kahle Gänge.

Die Wirtin arbeitet im Nonnenhaus.

Sie hat sich deswegen hingebückt.

Ich habe meinen Topf geschmückt.

Mit Früchten und Blättern.

Das muss ich billig danken.«

Sie hatte einen Kreisel aus wasserhellen Steinen in der Hand und gab ihn der Wirtin. Sie sagte: »Nehmt dieses Spielzeug, liebe Frau, zu meinem Angedenken! Das ist gut für euch. Ich habe gehört, wie ihr euch bei der Kirchweih fürchtet. Ihr sagt, dass dort Bürger und Bauern zu Unfrieden und Mord kommen. Liebe Frau, wenn die Gäste wieder anfangen zu trinken und zu streiten, nehmt den Topf und dreht ihn vor der Tür. Dann hört man im ganzen Haus laute Musik und alle sind gut gelaunt. Wenn es so weit ist, werft eure Schürze auf den Topf. Bald wird er sich einwickeln und still liegen.

Das Wasserweib sagte das. Frau Betha nahm das schöne Ding, die goldene Schnur und den Halter aus Ebenholz, und rief ihrer Tochter Jutta zu. Sie stand hinter dem Krautfass an der Staffel. Sie zeigte Jutta die Gabe, dankte ihr und lud sie ein, wiederzukommen. Dann fuhr sie hinab und verschwand.

Es dauerte nicht lang, so wurde klar, wie gut das für die Wirtschaft war. Er hat die Übeltäter immer schnell gestoppt und für viel Leben im Gasthaus gesorgt. Wer in die Gegend kam, ging ihm zulieb’. Bald kam der Graf von Helfenstein, von Wirtemberg und etliche große Prälaten. Auch ein berühmter Herzog aus Lombardenland, der bei dem Herzog von Bayern gastierte und nach Frankreich reiste, bot viel Geld für das Stück, wenn die Wirtin es ihm gab. Es gab nirgendwo sonst so etwas wie dort. Erst wurde es leise, dann immer lauter, so hoch wie tief, und immer schöner. Es klang wie viele Pfeifen. Der Schall stieg durch alle Stockwerke bis unter das Dach und bis in den Keller. Alle Wände, Dielen, Säulen und Geländer schienen davon erfüllt zu sein, zu tönen und zu schwellen. Selbst als er ohnmächtig wurde, hörte die Musik nicht auf. Es ging noch eine Viertelstunde lang so weiter.

Bei uns in Schwaben nennt man so einen Holztopf “Habergeis”. Frau Betha wurde nach ihrem Beruf “Bauern-Schwaiger” genannt. Er war aus einem großen Amethyst gemacht. Der Name des Steins bedeutet: er vertreibt den Alkohol aus dem Kopf. Deswegen tragen ihn weltliche und geistliche Herren oft am Finger.

Die Wasserfrau kam einmal im Monat, manchmal auch nicht, und die Wirtin hat eine Schelle im Haus angebracht, damit sie sich anzeigen kann. Sie wurde immer mehr zu den mutigen Frauen, der Mutter, den Töchtern und der Tochter.

An einem Sommernachmittag, als keine Gäste kamen, fuhr der Sohn mit den Arbeitern hinaus in das Heu, Frau Betha ließ mit der Ältesten im Keller Wein ab und die Lau zog sich im Brunnen die Zeit mit Plaudern. Während die Frauen noch ein wenig mit ihr plauderten, fing die Wirtin an: “Möchtet ihr euch denn einmal in meinem Haus und Hof umsehen?” Die Jutta könnte euch etwas von Kleidern geben, ihr seid von einer Größe.« Sie sagte: “Ja, ich wollte schon immer die Wohnungen der Menschen sehen. Ich wollte sehen, was sie darin machen, spinnen, weben und aneinander anpassen. Ich wollte auch sehen, wie eure Töchter Hochzeit machen und ihre kleinen Kinder in der Wiege schwenken.” Die Tochter lief fröhlich und schnell hoch, um ein Leintuch zu holen. Sie half ihr aus dem Kasten und stieg lachend und ohne sich anzustrengen aus. Die Dirne schlug ihr das Tuch um den Bauch und führte sie die Treppe hoch in die hinterste Ecke des Kellers. Von dort ging es direkt in die Kammer der Dirne. Sie ließ sich trocken machen und saß auf einem Stuhl. Jutta wischte ihr die Füße ab. Sie fuhr zurück und kicherte, als sie sah, wie diese ihr an die Sohle kam. Sie fragte sich, ob er gelacht hatte. Das Mädchen rief: “Was ist anders? Wir haben es geschafft! Es ist uns geglückt!” Die Wirtin hörte in der Küche Gelächter und Freude. Neugierig kam sie herein. Als sie die Ursache erfuhr, dachte sie: “Oh weh, das wird wohl schwerlich gelten!” Sie merkte nichts. Jutte nahm einige Stücke aus dem Schrank. Sie wollte die Hausfreundin damit kleiden. Die Mutter sagte: “Sie will aus euch eine Susann Preisnestel machen.” –

Die Laue rief: “Nein, lass mich die Aschengruttel 17) in deinem Märchen sein!” Sie trug einen Faltenrock und eine Jacke. Sie hatte keine Schuhe oder Strümpfe an. Ihre Haare fielen ihr in die Augen. Sie ging durch das ganze Haus, von unten bis oben. Sie war überrascht von dem einfachen Gerät und wie es benutzt wurde. Sie betrachtete den sauberen Schenktisch und die Kannen und Gläser darüber. Alle Kannen und Gläser standen in langen Reihen, mit dem Deckel nach unten. Sie sah den kupfernen Schwenkkessel und die Bürste. In der Mitte des Raumes hing der Zunftschmuck der Weber an der Decke. Er war mit Seidenband und Silberdraht verziert und in einem Glaskästchen aufbewahrt. Sie sah ihr Bild im Spiegel. Sie erschrak und blieb stehen. Die Tochter brachte ihr ein neues Spiegelein. Es kostete drei Groschen. Sie war überrascht, denn sie hatte so etwas noch nie. Bevor sie ging, schaute sie hinter den Vorhang im Schlafgemach. Dort schliefen die junge Frau, ihr Mann und ihre Kinder. Da saß ein Kind auf einem runden Stuhl. Es hatte rote Backen, Hemd und einen Apfel in der Hand. Der Stuhl war aus Ulmer Hafnerarbeit und hatte grüne Gläser. Das gefiel dem Gast sehr. Sie nannte es einen sehr hübschen Sitz, rümpfte aber die Nase. Als die drei Frauen anfingen zu lachen, lachte auch sie und hielt sich den Bauch, während sie sagte: “Diesmal hat es wirklich gestimmt, und Gott schenk’ euch so einen frischen Buben wie mein Hans!” Die Nacht darauf legte sich die schöne Lau im Blautopf nieder, schlief ein und träumte.

Es war nachmittags und in der heißen Jahreszeit. Die Leute sind auf der Wiese und mähen. Die Mönche machen sich in ihren Zellen eine Ruhe. Im Kloster und rings um seine Mauern ist es still. Aber der Abt kam heraus und sah, ob die Wirtin im Garten ist. Eine dicke Wasserfrau mit langen Haaren saß im Topf. Der Abt entdeckte sie, begrüßte sie und küsste sie. Der Kuss war so kräftig, dass er vom Klosterturm bis zum Refektorium und zur Kirche schallte. Dann kam er zum Pferdestall, zum Fischhaus und zum Waschhaus. Im Waschhaus riefen die Zuber und Kübel. Der Abt erschrak bei dem Lärm. Ihm war, als er sich nach der Wirtin bückte, sein Hut in einen Blautopf gefallen. Sie gab ihn ihm schnell zurück und er ging schnell weg.

Unser Herrgott kam aus dem Kloster und schaute, was es zu sehen gab. Er hatte einen langen weißen Bart und einen roten Rock. Er fragte den Abt, als er ihm begegnete.

“Herr Abt, war Ihr Käppchen nass?”

Und er antwortete:

Ein Wildschwein ist im Wald verschwunden.

Vor dem hab’ ich Reißaus genommen.

Ich rannte und schwitzte stark.

Mein Käpplein war nass.

Unser Herrgott sah die Lüge und wies ihn zurecht. Dann ging er zum Kloster. Der Abt sah noch einmal zur Wirtin. Diese rief: “Ach, die Zeit! Jetzt kommt der alte Herr in die Gefängniszelle!”

Das war der Traum der schönen Lau. Sie wusste, dass sie im Schlaf gelacht hatte, als sie aufwachte. Sie fühlte noch immer ein Lachen in sich und ihr Brustkorb hämmerte, als ob sie noch im Schlaf gewesen wäre.

Es war schwül am Tag und blitzte in der Nacht. Der Schein beleuchtete den Blautopf und sie spürte, dass es weit weg donnerte. Sie ruhte noch eine Weile und stützte ihren Kopf in den Händen. Dann schaute sie dem Wetter in die Augen. Sie fragte sich, ob es Morgen schon hell wird. Es war noch ziemlich dunkel. Der Mond schien über dem Rusenschloss. Es roch nach dem Wiesen-Duft.

Sie sagte, sie hätte fast keine Geduld mehr. Sie wollte ihr Glück im Nonnenhof verkünden. Eigentlich wollte sie schon nachts vor Juttas Tür stehen. Sie hatte Trost in der Nachricht aus der Heimat gesucht. Aber sie besann sich anders und ging zu einer besseren Zeit. Frau Betha hörte ihren Traum wohlwollend an, obwohl er ihr ein wenig peinlich schien. Sie sagte, man solle nicht auf so ein Lachen im Schlaf vertrauen. Der Teufel ist ein Schelm. Wenn ihr die Boten mit einer Zeitung losschickt, die euch die Zukunft schlecht macht, könnte es daheim schlimm werden.

Die schöne Lau schaute auf ihre Rede und sagte: »Frau Ahne hat mir den Traum verdorben!« Er sagte leise Tschüss und ging.

Es war kurz nach zwölf, als der Pater dem Bruder im Kloster erzählte: “Ich merke, es ist im Gumpen. Die Arge will euch euer Fass wieder schwimmen lehren.” Mach deine Läden zu und gib alles!

Die Wirtin hatte einen Sohn, der lustig war. Die Leute mochten ihn. Er wollte ihren Schlaf mit einem Schnak stoppen. Er lief nach oben, zog die Betttücher aus dem Bett und steckte sie am Blumentopf in den Rasen, wo das Wasser normalerweise austritt. Dann stellte er sich als treuer Diener vor, der Angst hat, dass seine Chefin aus dem Bett fällt und etwas passiert. Sie sah das Holz und lachte. Das Lachen hörte man im Klostergarten.

Als sie am Abend zu den Frauen kam, wussten sie es schon vom Koch. Sie wünschten ihr Glück. Die Wirtin sagte: »Xaver ist wie der Zuberklaus. Jetzt kommt uns seine Torheit zugute.«

Ein Monat nach dem anderen ging es nicht wieder schicken. Es war schon das dritte oder vierte Mal. Martini war vorbei, noch wenige Wochen, und die Boten standen wieder vor der Tür. Die Wirtsleute wussten nicht, ob sie dieses Jahr noch etwas zustande bringen würden. Alle trösteten die Frau. Je größer die Angst, desto weniger Hoffnung.

Frau Betha lud einen Lichtkarz ein, damit sie ihren Kummer vergisst. Nach dem Abendessen setzten sich in einer abgelegenen Stube ein halbes Dutzend muntere Dirnen und Weiber aus der Verwandtschaft mit ihren Kunkeln zusammen. Die Lau kam jeden Abend in Juttas altem Rock und Kittel. Sie setzte sich in einen Winkel auf den Boden, weit vom warmen Ofen weg. Sie hörte dem Geplauder zu. Am Anfang war sie ein stummer Gast. Aber sie wurde bald zutraulich und bekannt mit allen. Eines Abends wollte Frau Betha ihr Weihnachtskripplein für die Enkel herrichten. Darin sollte die Mutter Gottes mit dem Kind im Stall stehen. Außerdem die drei Weisen aus Morgenland mit ihren Kamelen. Die Wirtin saß an einem Tisch und putzte und leimte alles. Die Wasserfrau schaute ihr dabei zu und hörte ihr zu. Sie hörte heilige Geschichten, aber sie verstand sie nicht wirklich. Die Wirtin hätte sich gewünscht, dass sie die Geschichten versteht und zu Herzen nimmt.

Frau Betha wusste viele lehrreiche Fabeln, Denkreime, Fragen und Rätsel. Sie gab sie nacheinander im Vorsitz auf, damit die Wasserfrau sie beantworten konnte. Die Wasserfrau liebte diese Aufgaben und war immer zufrieden, wenn sie sie traf. Eines davon gefiel ihr besonders, und sie sagte ohne nachzudenken, was damit gemeint ist:

Ich bin eine Königin ohne viele Kurven.

Du trägst eine kleine Krone auf dem Kopf.

Die sind mir treu.

Die haben viel Geld.

Meine Frauen müssen mich schön machen.

Es gibt viele Märchen.

Sie verletzen mich.

Aber ich sehe dich nicht mehr kahl.

Ich gehe einfach so spazieren.

Das geht schnell und einfach.

Ich komme nicht vom Platz weg.

Sagt, Leute, was ist das?«

Sie sagte noch etwas fröhlicher: “Wenn ich irgendwann wieder in meiner Heimat bin und ein Landeskind aus eurer Stadt, zumal aus eurer Stadt, auf einer Kriegsfahrt oder sonst durch Walacheland an unsere Küste kommt, soll er mich dort rufen, wo der Strom am breitesten ins Meer geht. Zehn Meilen ins Land hinein ist das Reich meines Mannes, soweit das Wasser sie mit seiner Farbe färbt. Dann will ich kommen und dem Fremdling zu Rat und Hilfe sein.” Damit er sicher weiß, ob ich es bin und keine andere, die ihm schaden will, stellt er dieses Rätsel. Niemand aus unserem Geschlecht wird ihm darauf antworten, denn dort gibt es keine Räder wie eure in Schwaben. Dort spricht man auch eine andere Sprache. Darum mag dies die Lösung sein.

Es wurde von einem anderen Abend erzählt. Dabei ging es um den Doktor Veylland und Herrn Konrad von Wirtemberg, den alten Gaugrafen. Damals gab es noch keine Stadt mit dem Namen Stuttgart. Im Wiesental, wo sie sich noch einmal erhob, stand ein großes Schloss mit Wassergraben und Zugbrücke. Es war von Bruno erbaut worden, Konrads Oheim und Domherr von Speyer. In der Nähe gab es ein hohes steinernes Haus. In diesem Haus lebte ein Mann, der sich mit Kunst und Medizin auskannte. Er hatte einen alten Diener. Der Mann war mit seinem Herrn, dem Grafen, in vielen Ländern gereist. Dabei hatte er seltsame Tiere, Pflanzen und Meeresfrüchte gesehen. In seinem Ohr sah man viele fremde Dinge: die Haut von einem Krokodil, Schlangen und fliegende Fische. Der Graf kam einmal pro Woche zu ihm. Mit anderen Leuten sprach er kaum. Man behauptete, er mache Gold. Er konnte sich unsichtbar machen und hatte einen Zahn von einem Kraken unter seinem Kram. Als er das Bleilot im Roten Meer ins Wasser ließ, um die Tiefe zu erforschen, zockt es unter Wasser. Das Tau riss fast. Ein Krakenfisch hat sich in ein Loch verbissen und zwei Zähne hinterlassen. Sie sind spitz und schwarz. Der eine war fest, der andere ließ sich leicht ausziehen. Ein Zahn, der in Silber oder Gold gefasst und am Körper getragen wird, besitzt eine große Kraft. Er gehört zu den wertvollsten Dingen, die man für Geld nicht kaufen kann. Der Doktor gab einen dieser Zähne seinem Grafen, weil er ihm vertraute. Er wusste nicht, dass der Graf heimlich etwas Böses vorhatte. Von diesem Tag an war der Graf dem Doktor gnädiger als allen anderen Edelleuten oder Räten. Er hielt ihn für seinen Freund und gab ihm gern das Lot, das der andere verloren hatte. Aber er versprach, sich dessen ohne Not nicht zu bedienen. Er wollte es entweder dem Grafen vermachen oder es auf der Welt behalten, es aber nicht mehr benutzen. Der edle Graf starb aber um zwei Jahre früher als der Veylland und hinterließ das Kleinod seinen Söhnen nicht. Man glaubt, er habe es mit ins Grab genommen oder sonst verborgen.

Der Doktor lag am Sterben. Er rief seinen Diener Kurt zu sich und sagte: “Lieber Kurt! Ich sterbe heute Nacht. Ich danke dir für deine Dienste und befehle dir, einige Dinge zu tun. In der Ecke unter den Büchern findest du einen Beutel mit hundert Imperialen. Nimm den Beutel mit. Du wirst dein ganzes Leben lang genug davon haben. Das alte Buch, das hier liegt, wird jetzt verbrannt. Zum dritten findest du ein Bleilot. Nimm es, verbirg es bei deinen Sachen. Wenn du aus dem Hause gehst in deine Heimat, nach Blaubeuren, wirf es als Erstes in den Blautopf. Er wollte nicht, dass es ohne göttlichen Beistand in die falschen Hände gerät. Die Leute wussten nicht, warum die Laube im Blautopf war.

Nachdem der Diener alles vorbereitet hatte, nahm er mit Tränen Abschied vom Doktor, der vor ein paar Tagen gestorben war.

Als die Richter kamen, suchten sie in allen kleinen Sachen und verschlossen sie. Kurt hatte das Bleilot zwar versteckt, aber den Beutel nicht. Er war nicht sehr schlau und musste ihn dort lassen. Er bekam den Beutel nicht wieder, als die Erben ihm den Jahreslohn gaben.

Er war schon betrübt, als er mit seinem Bündel in seine Vaterstadt einzog. Er dachte nur daran, den Befehl seines Herrn zu erfüllen. Er war seit 23 Jahren nicht mehr hier. Er kannte die Leute nicht. Trotzdem sagte er jedem Guten Abend. Wenn er vorbeikam, schauten die Leute sich verwundert um. Sie wollten wissen, wer da grüßt. Aber sie sahen den Mann nicht. Das kam daher, dass er das Lot auf der linken Seite seines Bündels hatte. Ein anderes Mal, als er es auf der rechten Seite hatte, konnte man ihn sehen. Er sagte: “Früher waren die Blaubeumarmen grob.”

Er fand seinen Vetter, den Seilermeister, mit dem Jungen an seinem Geschäft. Der Vetter spann Werg aus seiner Schürze längs der Klostermauer zurück. Der Junge trillte die Schnur mit dem Rad. Kurt rief “Gott grüß dich, Vetter Seiler!” und klopfte ihm auf die Achsel. Der Meister guckt sich um, verliert die Konzentration, lässt seine Arbeit fallen und läuft weg. Der andere lachte.

Der denkt, ich sei ein Geist! Die Leute dachten, ich sei tot. Stattdessen sagte mein Herr etwas Schlimmes.

Er ging zum Teich, knüpfte sein Bündel auf und zog das Lot heraus. Da dachte er, dass er auch wissen wollte, ob es wahr ist, dass der Gumpen keinen Grund und Boden hat (er wollte gern so sein wie sein Herr). Weil er drei große, starke Schnürbunde in des Seilers Korb gesehen hatte, holte er sie und band das Lot daran. Es lagen frisch gebohrte Teichele in dem Wasser bis zur Mitte des Topfs. Darauf konnte er sicher Posto fassen. Er ließ das Gewicht hinunter, indem er immer ein Stück Schnur an seinem ausgestreckten Arm abmaß. Er rechnete drei solcher Längen auf ein Klafter und zählte laut ab. Er schnürte erst einen Klafter, dann zwei Klafter, dann drei Klafter und so weiter bis zehn. Beim ersten Klafter knüpfte er den zweiten an das Ende. Dann maß er ab und zählte bis 20. Der andere Schnurbund war gar. Heidaguguk ist eine Taille. Er band den dritten an das Trumm und fuhr fort zu zählen: “21, 22, 23, 24 – Höll-Element, mein Arm will nehmen!” 25, 26, 27, 28, 29, 30 – Gute Nacht! Das Fest ist vorbei. Da heißt es: “Mir nex, dir nex, rappede kappede, so isch usganga 32”. Er schlang die Schnur, bevor er aufzog. So konnte er das Holz, auf dem er stand, ein wenig verschnaufen lassen. Er dachte bei sich: Der Topf ist währle bodalaus (33).

Die Wirtin erzählte den Spinnerinnen, was passiert war. Die Wirtin und die Lau lächelten. Die Lau wusste, wie es passiert war. Aber sie sagten nichts. Dem Leser soll es aber nicht langweilig sein.

An jenem Nachmittag lag die schöne Lau auf dem Sand. Eine Kammerjungfer namens Aleila lag ihr zu Füßen. Aleila war Laus liebste Kammerjungfer. Sie beschnitt Laus Zehen mit einer goldenen Schere. Das machte sie wie von Zeit zu Zeit.

Aus der Höhe kam langsam ein schwarzes Ding, das wie ein Kegel aussah. Die beiden waren zuerst sehr überrascht, aber dann erkannten sie, was es ist. Als das Lot den Boden berührte, zog die Zofe die Schnur. Sie zog und zog, bis sie nicht mehr nachgab. Sie nahm die Schere und schnitt das Lot ab. Sie fand einen dicken Zwiebel, der gestern in den Topf gefallen war. Er war fast so groß wie ein Kinderkopf. Sie band ihn an die Schnur. So konnte der Mann ein anderes Lot finden. Die schöne Lau sah den Krackenzahn im Blei und war froh und überrascht. Sie wusste, dass die Wasserweiber und -männer für sich selbst nicht viel davon wollten. Aber sie wollten den Menschen diesen großen Vorteil nicht gönnen. Denn sie behaupten, dass das Meer und alles, was darin ist, ihnen gehören. Deshalb hoffte die schöne Lau, dass ihr Ehemann, der alte Nix, sie zu Hause mit dieser Beute lobt. Sie wollte den Mann, der oben stand, nicht allein lassen. Sie nahm alles, was sie am Körper hatte, nämlich die schöne Perlenschnur an ihrem Hals, und schlang sie um den großen Zwiebel, als er sich erhob. Sie hing auch die goldene Schere daran und sah, wie das Gewicht hinaufgezogen wurde. Die Zofe stieg hinter dem Lot in die Höhe und weidete sich zwei Spannen unterhalb des Spiegels an des Alten Schreck und Verwirrung. Sie streckte ihre Hände in die Luft und bewegte sie wie bei einem Fächer oder Wadel. Viele Leute waren schon vorher aus der Stadt gekommen, um dem Geschrei des Vetters Seilers zuzuhören. Sie standen um den Blautopf herum und sahen dem Abenteuer zu. Dann kamen die grausigen Hände und die Menge floh.

Der alte Diener war ab dem ersten Tag verwirrt. Er sah die Geschenke nicht, sondern saß bei seinem Vetter und sprach ein altes Sprüchlein vor sich hin. Kein Gelehrter in Schwaben weiß, woher dieses Sprüchlein kommt. Denn er hatte es nicht von sich selbst. Schon immer hat man den Kindern Scherzweis aufgegeben, wer es am schnellsten nacheinander ohne Tadel aufsagen kann. Und so lauten die Worte:

»’s leit a Klötzle Blei glei bei Blaubeura,
glei bei Blaubeura leit a Klötzle Blei.«

(Es gibt ein Klötzle Blei gleich bei Blaubeuren. Bei Blaubeuren gibt es Klötzle Blei. 36))

Die Wirtin sagte, es sei ein rechter Leirenbendel 37) und meinte, niemand hätte dort einen Verstand gesucht oder eine Prophezeiung erwartet.

Kurt war wieder klar, als er am nächsten Morgen aufwachte. Sein Vetter zeigte ihm, dass die Sachen ihm gehören. Kurt schmunzelte, legte sie sicher weg und fragte den Seiler, was er damit machen soll. Sie wollten das Beste. Er reiste mit Perlen und Schere nach Stuttgart. Dort hatte Graf Ludwig sein Lager. Er bot ihm alles zum Kauf an. Er tat es. Der reiche Mann war auch nicht geizig und bereit, einen seltenen Zahn für seine Frau zu nehmen. Als er hörte, wie der alte Mann dazu gekommen war, wurde er wütend und drehte sich auf dem Absatz um. Er hatte schon vor dem Tod von Herrn Konrad von dem Doktor verlangt, aber der hatte es abgelehnt.

Das war die Geschichte, über die die Spinnerinnen damals sprachen. Aber sie wussten nicht, dass das Beste noch kommt. Eine Gevatterin hätte gern gehört, ob die schöne Lau noch das Lot hat und was sie damit macht. Sie sprach von weitem darauf hin. Frau Betha gab ihr einen kleinen Stich und sprach zur Lau: “Ja, gelt, jetzt macht Ihr Euch bisweilen unsichtbar, geht herum in den Häusern und guckt den Weibern in die Töpfe, was sie zu Mittag kochen?” Das ist eine schöne Sache für verrückte Leute!

Dann fing eine an, leise das närrische Gesetzlein 38) zu singen. Die anderen taten es ihr gleich. Jede wollte es besser können, aber keine brachte es zum dritten oder vierten Mal glatt aus dem Mund. Das führte zu viel Lachen. Zum Schluss musste die schöne Lau es probieren. Jutte ließ ihr keine Ruhe. Sie wurde rot, aber sagte langsam:

“‘s leit a Klötzle Blei glei bei Blaubeura.”

Die Wirtin rief ihr zu, so sei es keine Kunst, es müsse wie geschmiert gehen! Sie nahm Anlauf, kam vom Weg ab und fuhr über das Stoppelfeld. Jetzt lachten alle. Das hättest du hören sollen! Und die schöne Lau lachte mitten im Lachen, so hell wie ihre Zähne.

Doch plötzlich kam es zu einem schlimmen Zwischenfall.

Der Wirt kam gerade mit dem Wagen von Sonderbuch heim. Er fand die Arbeiter verschlafen im Stall. Er rannte die Treppe hoch, rief seine Mutter und sagte: “Schickt die Lau nach Hause!” Hört ihr denn nicht den Lärm in der Stadt? Der Blautopf leert sich aus, die untere Gasse ist schon unter Wasser, und in dem Berg am Gumpen ist ein Getöse und Rollen, als käme die Sündflut! Während er das sagte, rief die Frau: “Das ist der König, mein Mann, und ich bin nicht zuhause!” Sie fiel vom Stuhl und die Stube zitterte. Der Sohn war weg. Die Spinnerinnen liefen traurig nach Hause. Die anderen wussten nicht, was sie mit der armen Lau machen sollten, die wie tot dalag. Die Kleider wurden aufgemacht, sie wurde angezogen, die Fenster wurden aufgerissen – aber nichts brachte es.

Plötzlich kam der lustige Koch durch die Tür und sagte: “Ich dachte, sie wäre bei euch!” Aber es sieht nicht lustig aus. Wenn die Ente ins Wasser will, muss sie schwimmen. Die Mutter sagte: “Du hast recht! Hat man sie auch im Keller und im Brunnen, kann sie sich unten nicht den Hals abstürzen im Geklüft?” Der Sohn rief: “Was, Keller? Was, Brunnen? Geht ja nicht! Lasst mich machen!” “Wenn man nichts hat, muss man teilen.” Er, der starke Mann, nahm die Wasserfrau auf seine Arme. Jutta, halt die Klappe! “Geh voran mit der Laterne!” Die Wirtin sagte: “In Gottes Namen! Nehmt den Weg hinten herum durch die Gärten. Die Straße ist voll mit Leuten und Lichtern.” Er sagte es, als er ging. Er ging fest die Treppe runter, über den Hof und links und rechts zwischen Hecken und Zäunen durch.

Am Gumpen war das Wasser tiefer. Die drei Zofen schwammen ängstlich mit den Köpfen unter Wasser und guckten nach ihrer Frau. Das Mädchen stellte die Laterne hin und der Koch stellte seine Last ab. Da flüsterte ihm sein Schalk ins Ohr: Wenn du sie küsst, freust du dich dein Leben lang. Du kannst sagen, du hast eine Wasserfrau geküsst. Und plötzlich war es passiert. Ein Schluck Wasser löschte das Licht aus. Es war stockdunkel. Dann tat es so, als würde ein ganzes Dutzend nasser Hände auf ein paar Backen fallen. Die Schwester fragte, was los ist. “Hier nennt man sie Maulschellen”, sagte er. “Ich hätte nicht gedacht, dass sie am Schwarzen Meer auch so etwas kennen!” Er rannte weg. Aber weil man von dem Kloster drüben Lärm hörte, wusste er nicht, wohin. Er dachte, der Feind war überall. Er brauchte diese Witzerei, damit er nicht prahlt, den Mund der schönen Lau geküßt zu haben, ohne zu wissen, dass er es tun musste, um ihr zu helfen.

Während des Lärms lachte die Fürstin im Ohnmachtschlaf wie im Traum, als sie den Abt im Sprung sah. Der Koch hörte es schon von weitem. Er erkannte, dass es nicht mehr so schlimm war mit der Frau.

Bald kam mit der guten Zeitung auch die Jutte heim. Sie hatte Kleider, einen Rock und ein Leibchen im Arm. Die schöne Lau hatte diese heute zum letzten Mal am Leibe gehabt. Die Mädchen, die sie am Topf empfingen, sagten ihr, dass der König noch nicht da war. Aber es würde nicht mehr lange dauern. Die große Wasserstraße war schon voll. Es war ein breiter, hoher Felsenweg. Er führte von den menschlichen Wohnstätten durch den Berg. Er war zwei Meilen lang. Er führte von dort bis an die Donau. Dort hatte die Schwester des alten Nixen ihren Fürstensitz. Viele Flüsse, Bäche und Quellen aus diesem Gebiet speicherten das Wasser, wenn die Menschen dort entlang zogen. Dadurch wurde die Straße in kurzer Zeit so hoch mit Wasser gefüllt, dass man sie gut mit Schiffen und Wagen befahren konnte. Das wurde bei festlichen Anlässen mit vielen Fackeln und Musik von Hörnern und Pauken gefeiert.

Die Zofen gingen mit ihrer Herrin ins Badezimmer, um sie einzureiben, zu zöpfen und anzuziehen. Das ließ die Herrin gern zu und half sogar mit. Sie fühlte, dass sie nun alles hatte, was sie wollte, und das wusste der alte Nix nicht. Drei Stunden nach Mitternacht, als der Wächter gerufen hatte, schlief im Nonnenhof schon alles. Dann ertönte zweimal die Kellerglocke. Sie warnte, dass es eilig sei. Die Frauen und Töchter liefen schnell auf den Platz.

Die Laute begrüßte sie wie sonst vom Brunnen aus. Aber ihr Gesicht sah fröhlich aus und ihre Augen glänzten. So hatte man sie noch nie gesehen.

Sie sagte: “Wisst ihr, dass mein Mann um Mitternacht gekommen ist. Seine Schwiegermutter hat es ihm gesagt: In dieser Nacht soll mein Glück enden. Daraufhin ist er mit seinem Ohm, meinem Bruder Synd und vielen anderen Herren losgezogen. Am Morgen reisen wir. Der König mag mich, als hieß’ ich von heute an erst sein Gespons. Nach dem Essen stehen sie auf. Ich ging auf mein Zimmer, um meine Gäste zu begrüßen. Ich danke euch, liebe Jutta, Söhnerin und Jüngste. Grüßt alle, die nicht da sind. Jedes dritte Jahr sage ich euch etwas. Vielleicht komme ich sogar noch eher. Dann bringe ich euch etwas mit, das euch zum Lachen bringt. Die Meinen wollen euch das immer sagen, wie ich auch. Liebe Wirtin, ich möchte dieses Haus und seine Gäste segnen. Ich habe oft gehört, dass ihr den armen Wanderern mit Essen und einem Platz zum Schlafen geholfen habt. Damit ihr das mögt, bekommt ihr hier einen Krug voller Silbergroschen. Denkt euch, wie ihr sie verteilt. Aber der Krug muss wieder gefüllt werden, bevor der letzte Pfennig ausgegeben ist. Ich möchte, dass an jedem hundertjährigen Geburtstag ein Glückstag gefeiert wird. Die Geschenke sollen von den Reisenden überreicht werden. Der erste, der am Tag des Geburtstags anreist, soll ein Geschenk bekommen. Jeder, der den Preis bekommt, verspricht, niemandem zu verraten, wo und wann es stattfindet. Solche Geschenke findet ihr hier neben dem Brunnen. Die Stiftung weiß, dass ich für immer da sein werde, solange ein Mitglied von euch auf der Wirtschaft arbeitet. Sie sprach noch kurz mit der Wirtin und sagte dann: “Den kleinen Schuster soll man nicht vergessen.” Sie nahm noch einmal Abschied und küsste alle. Die Frauen und Mädchen weinten. Sie steckte Jutten einen Fingerreif mit grünem Schmelzwerk an und sprach: “Ade, Jutta! Wir haben zusammen besondere Holdschaft 42) gehabt, die muss weiter bestehen! Sie stieg hinab, winkte und verschwand.

Hinter dem Brunnen stand der Krug mit den Angeboten. In der Mauer war ein Loch mit einem eisernen Türchen. Niemand wusste, wohin es führt. Jetzt war das Türchen auf. Es war klar, dass die Sachen auf diesem Weg gebracht wurden. Deshalb waren sie trocken. Es lag ein Würfelbecher aus Drachenhaut mit goldenen Buckeln, ein Dolch mit wertvollem Griff, ein Weberschiffchen aus Elfenbein, ein schönes Tuch aus fremder Weberei und mehr dergleichen. Die Wirtin gab dem Koch einen Kochlöffel aus Rosenholz. Der Löffel hatte einen langen Stiel. Er war von oben herab fein gemalt und vergoldet. Die Wirtin gab ihn dem Koch zum Andenken. Keines der anderen wurde vergessen.

Frau Betha und ihre Nachkommen hielten die Ordnung der guten Lau bis zu ihrem Tod aufrecht. Es steht nichts in dem alten Buch über den Besuch der Frau mit ihrem Kind im Nonnenhof, aber ich glaube, dass er stattgefunden hat.

Anhang von Mörike zur Sage Die schöne Lau

In seinem Anhang hat Mörike selbst eine Beschreibung vom Blautopf sowie eine Erklärung der schwäbischen Ausdrücke beigefügt.

1) Der Blautopf. Die dunkle, vollkommen blaue Farbe der Quelle, ihre verborgene Tiefe und die wilde Natur der ganzen Umgebung verleihen ihr ein feierliches, geheimnisvolles Ansehn. Kein Wunder, wenn sie in alten Zeiten als heilig betrachtet wurde, und wenn das Volk noch jetzt mit abenteuerlichen Vorstellungen davon sich trägt. – Der Durchmesser des Beckens ist in der einen Richtung vom Wehr an 125′, in der anderen 130′, der Umfang also 408′. Der Prälat Weißensee nahm im Jahre 1718 eine Untersuchung vor und fand die Tiefe zu 63 ˆ Fuß, gegen welchen Erfund, besonders von seiten des Volks, das sich die Unergründlichkeit nicht nehmen lassen wollte, mancherlei Einwendungen gemacht wurden. Das Ergebnis einer spätern Untersuchung, im Sommer 1829, war aber auch nur 71′ am Punkt der größten Tiefe. Dieselbe befindet sich ziemlich in der Mitte des Topfs; nach den Seiten nimmt sie überall ab, so daß sich daraus wirklich eine trichterförmige Gestalt des Beckens ergibt. Die Untersuchung widerlegte auch die Meinung, daß Bäume und Baumstämme auf dem Grund versenkt liegen, denn das Senkblei fand nirgends den mindesten Widerstand. Mit Verwunderung vernahmen einzelne die Messung und fragten, ob denn das Senkblei unten nicht geschmolzen sei? denn eine alte Sage sprach von glühender Hitze in den untersten Schichten. – Die schöne Bläue des übrigens krystallhellen Wassers verstärkt sich mit zunehmender Tiefe; nur an dem Rande, wo die Vegetation einwirkt, fällt sie ins Grüne. Bis jetzt ist dieses Blau noch nicht genügend erklärt. Weder in der Umgebung noch in der Farbe des Grunds kann die Ursache liegen, weil das Wasser sein bläuliches Ansehen bis zum Ausfluß in die Donau behält. Ebensowenig hat eine chemische Untersuchung durch Prof. Schübler einen Gehalt an Metallen oder andern Stoffen, wodurch die Erscheinung veranlaßt werden könnte, gezeigt; das Wasser stellte sich nur reiner als die meisten Trinkwasser dar. – Sein Spiegel ist gewöhnlich ganz ruhig, so daß man kein Hervorquellen bemerkt; dennoch ist der Abfluß so stark, daß er nicht nur mittelst des an der Quelle angebrachten Brunnenhauses die ganze Stadt und das Kloster mit Wasser versieht, sondern auch ein ebenfalls daran stehendes Hammerwerk und unmittelbar darauf vier Mühlen treibt. Bei anhaltendem Regen und Tauwetter trübt sich die Quelle, wird auffallend stärker und so unruhig, daß sie beträchtliche Wellen aufwirft und Überschwemmungen verursacht. Im Jahre 1641 soll die Gefahr so groß gewesen sein, daß ein Bettag gehalten, eine Prozession zum Blautopf veranstaltet und zu Versöhnung der erzürnten Gottheit (allerdings keiner Nymphe) zwei vergoldete Becher hineingeworfen wurden, worauf das Toben nachgelassen habe. Unstreitig steht der Blautopf durch unterirdische Klüfte in Verbindung mit der Albfläche und insbesondere mit den darauf befindlichen Erdtrichtern. – Einige hundert Schritte von dem Topf ist ein zweiter ähnlicher Quell, der Gieselbach, an welchem einst die alte Niklaus-Kapelle und ein Nonnenkloster stand. (Nach Memmingers Beschr. d. Ob.-Amts Blaubeuren.)

2) Lau, von La, Wasser, welches in lo, lau, b’lau überging, daher nach Schmid der Name des Flüßchens Blau (und Blautopf) abzuleiten wäre.

3) Gumpen (der), gewöhnlich nur eine vertiefte Stelle auf dem Grunde des Wassers, hier das Ganze einer größeren Wassersammlung mit bedeutender kesselartiger Vertiefung. Wer etwa, wie einige ohne Not wollen, das Wort Topf im Sinn von Kreisel nimmt und es damit erklärt, daß das Wasser, besonders bei starkem Regen- und Tauwetter, wo es sich in der Mitte pyramidalisch erhebt, eine kreisende Bewegung macht, der wird unsern Ausdruck doppelt gerechtfertigt finden, da gumpen, gampen entschieden so viel ist als: hüpfen, tanzen, mutwillig hinausschlagen.

4) Kleine Messer. Es war eine alte Sitte, die noch nicht ganz abgekommen ist, sich zum Zeichen der Freundschaft mit Messern zu beschenken; vorzüglich herrschte sie in den Klöstern. Der Mystiker Meister Heinrich von Nördlingen, Taulers und Susos Freund, schickte den Klosterfrauen zu Medingen öfters Messer zum Geschenke. Daher vielleicht die Redensart: Messerlein geben, d.h. nachgeben, Abbitte tun.

5) Clusam, mäßig erwärmt (auch in moralischer Bedeutung: stillen Charakters).

6) Gänge Pfade, begangene.

7) Küllhasen, Kaninchen.

8) Schachzagel (das), Schachspiel.

9) Fernd, voriges Jahr.

10) Kappis, Kohl.

11) Öhrn, Hausflur.

12) Habergeis, von heben, wegen der hüpfenden, hoppelnden Bewegung des Kreises.

13) Bauren-Schwaiger, von geschweigen, stillen. Die alten Griechen und Römer hatten magische Kreisel, Rollen und Räder meist aus Erz, deren sich Frauen und Mädchen zum Liebeszauber bedienten, indem sie dieselben unter seltsamen Bannsprüchen herumdrehten. So in der zweiten Idylle des Theokrit. Nach einem Epigramm der griechischen Anthologie hatten vornehme Thessalierinnen dergleichen aus Edelstein und Gold, mit Fäden purpurner Wolle umwickelt, welcher besonders eine geheime Kraft inwohnen sollte. Natürlich hat man sich diese Kreisel weit kleiner, überhaupt von andrer Form als den unsem zu denken. In jenem Epigramm wird der Venus ein solches Weihgeschenk gebracht:

Nikos Kreisel, mit dem sie den Mann fern über das Meer zieht
Oder dem stillen Gemach sittige Mädchen entlockt,
Lieget, ein hell Amethystengerät und mit Golde verzierst,
Kypris, ein lieber Besitz, deinem Altare geweiht,
Mitten von Wolle des purpurnen Lamms umwunden. Larissas
Zauberin bracht’ ihn dir, Göttin, ein gastlich Geschenk.

(S. Jacobs »Leben und Kunst der Alten«.)

Während der Stoff, woraus das Instrument der Larisserin bestand, zum Zweck selbst nichts beitrug, wird er in unsrem Fall Hauptsache, und die von den Alten dem Amethyst zugeschriebene Wirkung, derenwegen man sonst den Stein in Schmuckform bei sich trug, ist hier an den tönenden Kreisel geknüpft.

14) Das Selige. Selig, berauscht, ist nicht gleichbedeutend mit glückselig, obwohl darauf hinspielend, sondern gleichen Stamms mit Sal, Rausch, niedersächsisch; soûl, betrunken, französisch. – »Als verfälschten die Bürger den Landwein auf eine so unleidentliche Weise, daß mehrere Leute daß Selige berührt hätte.« Gemeiners Regensb. Chron. zum Jahr 1474.

15) Söhnerin, Schwiegertochter.

16) Susanne Preisnestel, scherzhafte Bezeichnung aufgeputzter Mädchen. Preis heißt der Saum am Hemd; prisen, einfassen; mit einer Kette, gewöhnlich von Silber, einschnüren, um den bei der vormaligen oberschwäbischen Frauentracht üblichen Brustvorstecker zu befestigen; der hiezu gebrauchte seidene oder wollene Bändel hieß Preisnestel.

17) Aschengruttel (Aschenbrödel), sonst im Schwäbischen auch Aschengrittel und Aschengrusel genannt.

18) Einen roten Rock. Ein alter Reim, welchen die Wärterinnen hersagen, wenn sie die Kinder auf den Knieen reiten lassen, enthält schon diese Vorstellung:

Hotta, Hotta, Rößle,
Z’Stuagart steht a Schlößle,
Z’Stuagart steht a Gartahaus,
Guckat drei schöne Jungfra raus:
Die ein’ spinnt Seide,
die ander’ spinnt Weide,
Die dritt’ die spinnt an rota Rock
Für unsern liaba Herragott.

(s. E. Meiers »Kinderreime«, S. 5.)

19) Baß, sehr, gut, besser.

20) Unwirs, unwirsch, ungehalten.

21) Wetterblicken; der Blick, Durnblick, Wetterblick, Blitz.

22) Rusenschloß oder Hohen-Gerhausen, vormals eine gewaltige Bergfeste, jetzt äußerst malerische Ruine über dem Dorfe Gerhausen gelegen in der Nähe vom Ruck, einer minder bedeutenden Burg.

23) Mahd (das), 1. die zu mähende Wiese, 2. das Gemähte.

24) Jäst, Jast, Gärung, aufbrausender Zorn.

25) Zuberklausl: Ein Mensch, der seltsame Einfälle hat; vielleicht, sagt Schmid, eine scherzhafte Verstümmelung des Wortes superklug, zugleich anspielend auf den Klaus Narr. Letzterer ist ohne Zweifel in dem Wort enthalten, im übrigen hat diese Erklärung etwas zu Modernes. Ein humoristischer Etymolog nimmt die erste Worthälfte bar und will, ich weiß nicht, wo, gefunden haben, daß sich Klaus Narr eines solchen Geräts bei einem Ulmer Schifferstechen als Fahrzeugs, in Ermangelung eines ordentlichen Nachens, bedient habe.

26) Lichtkarz, Karz, entweder von garten, müßig sein, umherschwärmen, z’Garten gehen, Besuch machen oder wahrscheinlicher von Kerze: Versammlung von Spinnerinnen, auch Vorsitz genannt.

27) Spitzweise, spitzfindig; »mit spitzwysen Worten« (U1mer Urk).

28) Ein steinernes Haus. Es ist das der Stiftskirche westlich gegenüberstehende, jetzt Architekt Mäntlersche Haus gemeint, das gegenwärtig noch »zum Schlößlein« heißt. Es soll den Herrn von Kaltenthal gehört haben; Memminger, in seiner Beschreibung der Stadt, macht es aber sehr wahrscheinlich, daß das Gebäude von Anfang gräflich wirtembergisches Besitztum, und zwar einer der Sitze oder eine der Burgen gewesen sei, die nächst dem Stutengarten die Enstehung von Stuttgart veranlaßt haben mögen.

29) In natürlicher Kunst. Natürlich, naturkundig. »Von den sachen des siechtumbs nach gemainen löffen der natur schreiben die natürlichen maister«: Steinhöwel (Ulmer Arzt). Natürliche Meister sind aber nicht bloß Ärzte, sondern auch Philosophen. In dem »Buch der sterbenden Menschheit« heißt es: »Ein mächtiger wolgelerter man in philosophia das ist in natürlicher kunst«.

30) Imperial, war ehmals eine Goldmünze; der Name ist nur noch in Rußland üblich.

31) Spiriguckes, ein wunderwitziger, neugieriger, auf Kuriositäten erpichter Mensch von sonderbarem Wesen.

32) Mir nex – usganga, sagt man am Schlusse der Erzählung einer Sache, die auf nichts hinausläuft.

33) Bodalaus, bodenlos.

34) Zuteuerst, sogar.

35) Irrsch, nicht recht bei sich.

36) s’leit a Klötzle, es liegt usw. Diese Zellen finden sich ebenso in E. Meiers »Kinderreimen«.

37) Leirenbendel, langweiliges Einerlei; zunächst der schwäbische Volksname für einen Vogel, Wendehals.

38) Gesetzlein, Sprüchlein, Strophe eines Lieds.

39) Buntüberecks, verkehrt, durcheinander.

40) Sottige, söttige, sotte, solche.

41) Witzung, Witzigung, Warnung.

42) Holdschaft, Liebschaft, zärtliche Freundschaft.

Hinweis: Die Sage von der schönen Lau wurde mit KI leicht abgewandelt und lesbarer gemacht. Der Anhang ist davon unberührt geblieben.