Eine Schlacht und ihre Folgen

Herr der Ringe Fanfiction – nicht ganz ernst gemeint

1. Die Schlacht auf dem Pelennor

Denethor runzelte Faramir mit zusammengezogenen Augenbrauen finster an.
„Das sieht man doch auf den ersten Blick, dass sie eine Spionin aus dem Osten ist. Sieh dir nur mal ihre Kleidung an. Welche anständige Frau trägt hierzulande Hosen?“
„Ihre Kleidung sieht überhaupt nicht so aus, als würde sie irgend jemand in ganz Mittelerde tragen“, verteidigte sich Faramir. „Ich war nicht sicher, wer und was sie ist, und deswegen habe ich sie mitgebracht. Was hätte ich denn deiner Meinung nach tun sollen?“
„Du fragst mich nach meiner Meinung? Das ist ja was ganz Neues. Was tut man schon groß mit einem Spion? Man bringt ihn um!!! Aber dazu scheinst du ja nicht in der Lage zu sein. Anstatt das Problem zu beseitigen, schaffst du Narr es hierher. Das war doch die Absicht dieser… Person!“
„Ich bin mir nicht sicher, ob es sich wirklich um einen Spion handelt und denke, dass es sehr umsichtig war, sie hierherzubringen“, schaltete sich Gandalf ein.
„So, deiner Meinung nach? Nach deiner Meinung fragt dich aber keiner, Gandalf Sturmkrähe! Nun gut, der Schaden ist bereits angerichtet. Wache, schaff sie aus meinen Augen an einen Ort, wo sie nicht fliehen kann. Ich werde mich später um sie kümmern.“

In einer Ecke ein Haufen Heu. Das war ihre Inneneinrichtung. Ein Stück Brot und ein Krug Wasser. Das war ihr Frühstück, Mittagessen und Abendbrot.
Vier kahle Wände, ein Fenster in zwei Metern Höhe in der einen Wand, gegenüber eine  Türöffnung ohne Tür, mit einem schwarzen rostigen Gitter davor. Es handelte sich um eine Art zugiger Verschlag, durch den ein eiskalter Wind pfiff. Früher mochte es mal ein Pferdestall gewesen sein, aber es taugte durchaus auch gut als Gefängnis. Das war ihre Wohnstatt.
Denethor hatte zwar versprochen, sich um sie zu kümmern, aber getan hatte sich bisher noch gar nichts.  Aber man konnte gut verstehen, dass er andere Sorgen hatte.
War es wirklich erst sechs Tage her, dass Faramir sie gefunden hatte? Allzu begeistert war er ja nicht gewesen.
„Wer seid Ihr? Was habt Ihr hier zu suchen?“ hatte er sie angefaucht. Und zu seinen Männern gesagt: „Eine Frau. Das hat uns gerade noch gefehlt.“
Aber einer seiner Männer hatte sie immerhin vor sich in den Sattel genommen und nach Minas Tirith gebracht. Bäh! Reiten war eine Art der Fortbewegung, die ihr gar nicht gefallen wollte. Daheim hatte sie immer reiten wollen und Pferde fand sie eigentlich schon toll, aber wenn man dann als Untrainierter für ne längere Strecke auf einem sitzen musste… da wurde man durchgeschüttelt und bekam einen wunden Hintern… Aber das schlimmste waren diese ekligen kreischenden Nazgul auf ihren dämlichen Flügelviechern gewesen. Gut, dass Gandalf, der weiße Reiter, gekommen war und sie alle gerettet hatte…
Aber daran wollte sie jetzt lieber nicht denken. Lieber daran, dass Faramir nicht so sehr nach seinem Vater geraten war, denn sonst wäre sie jetzt tot und nicht hier. Obwohl das vielleicht auch nicht so schlecht gewesen wäre…
Hier oben war es nicht nur schweinekalt, es stank auch nach ihren eigenen Ausdünstungen, weil bisher kaum jemand die Zeit gefunden hatte, ihren Toiletteneimer zu leeren. Zu waschen gab es auch nichts. Es war also alles andere als gemütlich.
Dazu kam seit gestern dieser schreckliche Schlachtenlärm dazu. Brüllende Orks waren nur das kleinste Übel. Da, jetzt waren sie schon wieder am Krakeleen. Was riefen sie? Es klang nach „Grond“, was auch immer das sein mochte. Sicher wieder eine andere orkische Teufelei.

Ein schrecklicher, schauerhafter, fürchterbarer Schrei zerriss die Luft.
ES war wieder da, der größte Horror, an den sie nicht zu denken wagte, seit sie IHN zum ersten Mal gehört hatte auf dem Rücken des Pferdes auf dem Weg nach Minas Tirith.
Sie warf sich zitternd zu Boden. „Bitte, mach das es aufhört“, betete sie, aber zu wem sie betete, hätte sie nicht zu sagen vermocht.
„Bitte, mach, dass es aufhört. Alles andere ist besser als das. Schick Flammen, schick Kälte, schick mir den Tod, aber mach, dass es aufhört!“
Endlich fühlte sie sich etwas besser. Der seltsame Schatten, der sich ihr jedesmal bei einem solchen Schrei aufs Gemüt legte, war von ihr gewichen. Für den Moment.
Langsam rappelte sie sich wieder auf.
„Was ich für einen Mist gebetet habe. Lieber Feuer als dieses Gekreisch. Wo soll denn hier bitte Feuer herkommen? Ich befinde mich ganz oben in dieser Steinstadt und habe nur ein kleines Fenster dort oben. Das wäre schon verdammter Zufall, wenn da was hereinkäme. Schließlich bin ich ja gestern den ganzen Tag verschont geblieben, wo alle „Feuer!“ geschrien haben“, dachte sie.

Plötzlich ein merkwürdiges Geräusch. In einem eleganten Bogen kam etwas durch das Fenster herein geflogen. Es handelte sich um ein Stück Lumpen, welches um einen Felsblock gewickelt war. Und lichterloh brannte. Und auf ihrer Inneneinrichtung landete.
„Großartig! Das hat mir gerade noch gefehlt!“  murmelte sie und begann dann, laut um Hilfe zu rufen.
„Hallo! Hier brennt’s! Könnte bitte jemand die Tür öffnen?“
Viel Geplärre von außen und innen, viele Leute liefen eilig auf und ab, doch keiner reagierte auf ihre Rufe.
„Hallo! Könnte mir bitte jemand helfen? Hilfe! Hilfe!! Hilfe!!!“
Nach wie vor keine Reaktion. Das Feuer rauchte stark und verpestete die Luft.
„Hilfe!!!“ brüllt sie wieder, doch dann muste sie fürchterlich husten und brachte anschließend nur ein heiseres Krächzen heraus. Das Feuer griff munter weiter um sich, und breitete sich weiter aus.
Ein kleiner Kerl in der Tracht der Turmwache kam die Straße hinuntergeeilt. Sie hatte ihn schon mal gesehen; er hatte dem Truchseß aufgewartet, als Faramir sie vor dessen Thron geschleppt hatte.
„He, Kleiner!“ rief sie ihm verzweifelt zu. “Bitte, hilf mir!“ Sie drohte ein wenig hysterisch zu werden. Er hielt einen Moment lang inne und zögerte. Sicher sah er die Flammen, die hinter ihr züngelten und auch an ihrem Haar leckten. Doch er wandte sich ab und rannte weiter.
Fassungslos starrte sie hinter ihm her. Plötzlich – ein Schmerz an ihrem rechten Arm. Der Ärmel hatte Feuer gefangen! Sie schrie auf, versuchte, die Flammen an der Wand zu ersticken. Es gelang ihr tatsächlich, doch da war schon ein neuer Schmerz an ihrem Kopf. Unglaubliche hitze von allen Seiten.
Sie musste hier raus. Unbedingt. Nur … wie?
Das Fenster! Es war, wie schon gesagt, nur etwa in zwei Metern Höhe. Sie krabbelte mit letzter Kraft die Wand hinauf, das Feuer leckte nach ihr, ihre Jacke brannte… mit letzter Kraft schwang sie sich über die Kante, hinaus…

… Ins nichts. Ihr Gefängnis befand sich im oberen Teil von Minas Tirith und als sie sich aus dem Fenster warf, stürzte sie in die Tiefe hinab, ohne Hoffnung auf Rettung. „Na, besser, als verbrennen!“ dachte sie noch, als sie  hart aufschlug, mit dem Rücken nach Unten. Einen Moment lang war ihr schwarz vor Augen. Die Luft wurde aus ihren Lungen gepresst und sie japste kläglichst nach Luft. Eine Ewigkeit lag sie so da, es schien ihr jedenfalls so. Unfähig, Luft in ihre Lungen pressen zu können, fühlte sie sich im wahrsten Sinne des Wortes wie ein Fisch auf dem Trockenen. Irsinnige Panik ergriff Besitz von ihr.
Atmen, Atmen, Luft, Luft, Bitte!!!!!
Langsam, ganz langsam begannen sich ihre Lungen mit frischer Luft zu füllen. Ihr Japsen verstummte, desgleichen ihre Panik. Allmählich kam sie wieder etwas zu Atem und zu Sinnen.
„Ich bin nicht tot. Ich lebe noch aus irgendwelchen Gründen! Komisch ist mir zu Mute… alles dreht sich… und bewegt sich… Da – ich kann die Geräusche des Schlachtfeldes hören… Waffengeklirr… und Kampfschreie… und Zischen…“
Unter Ächzen und Stöhnen drehte sie sich auf den Bauch und krallte sich mit den Händen am Untergrund fest. Der war sehr seltsam, rauh… und stank entsetzlich.
Da war wieder dieses Zischen…
Ein Zischen? Sie hob ruckartig den Kopf und erblickte vor sich… eine schwarz verhüllte Gestalt.
Diese zischte wieder laut, wedelte mit den Armen und schlug wild um sich. Dies hatte einen einfachen Grund – ihr Mantel hatte Feuer gefangen.

Der Nazgul, denn um nichts anderes handelte es sich, war aus verständlichen Gründen extrem sauer. „Da nehm ich dieses bescheuerte Lumpenbündel auf und schmeiße es in dieses Fenster rein und dann kommt jemand da herausgesprungen und zündet mich an! Solch eine Unverschämtheit… Frechheit… Frevelhaftigkeit ist mir noch überhaupt nie vorgekommen! Na warte!“ Er schüttelte heftig seinen Ärmel. „Gehst du raus da, blödes Feuer!“ Er schüttelte ihn erneut. „Los, verschwinde! Du weißt wohl nicht, mit wem du es zutun hast! Weiche, sage ich! Na warte, Kreatur, die du dieses verschuldet hast. Ich werde dich packen und nach Mordor mitnehmen. Im tiefsten Kerker sollst du vor dich hinschmachten und nie mehr das Licht der Sonne erblicken! Weiche, sag ich!“

Doch das Feuer hielt sich mit zähem Willen am Ärmel fest.
Ach, wie schön war es, diesen Stoff zu verzehren… Wie lecker schmeckte er doch! Schwarzer Nazgul – Mantel – das bekam man nicht alle Tage!
Zuerst hatte man ihm dürres Holz gegeben. Dann dicke Äste. Aber keine frischen. Bäh! Dann dieses stinkende Öl und diesen ekligen Lumpen. Igitt! Schließlich hatten diese  Idioten es einem Luftzug ausgesetzt – beinahe wäre es eingegangen!
Und dann – Heu, das auch schon einige Tage auf dem Buckel hatte. In diesem blöden engen Raum hatte es sonst nicht viel gegeben – ach ja, so nen ganz seltsamen Stoff und ein bisschen Haut und ein paar Haare… und diesen netten, freundlichen, liebenswürdige Menschen… erst hatte er es zwar einem Luftzug ausgesetzt, aber dann… alle Plagereien, alles fade Essen, alle Anschläge auf sein Leben waren vergessen, spielten keine Rolle mehr.
Nazgulmantel! Eine Delikatesse!!! Hmmmm! Himmlisch! Paradiesisch!
„Ich geh hier nie mehr weg!!!“ beschloss es.
Sicher hätte es sich die Lippen geleckt, wenn es solche gehabt hätte.

„Weiche, sag ich! Weiche!“ fluchte der Nazgul noch immer. Er wurde wütender und wütender.
Plötzlich vernahm er einen Schrei, so schrecklich und furchtbar, wie er es noch nie gehört hatte. Und das wollte schon was heißen.
Der Schrei war der seines Befehlshabers und obersten Chefbosses – und es war ein Klageschrei, ein ganz entsetzlicher Klageschrei… denn der Hexenmeister von Angmar hauchte sein Leben aus. Gerade war der Nazgul noch dabei gewesen, seinen rechten Ärmel zu schütteln, um das Feuer daraus zu vertreiben, als dem nicht mehr die geringste Bedeutung beiwohnte. Der Chef war nicht mehr!
Schwindel erfasste ihn, als er langsam begann, den Sinn dessen zu begreifen… überhaupt drehte sich alles um ihn… und das Feuer war ausgegangen… Kein Wunder, denn er befand sich im freien Fall. Er war nämlich gerade vom Rücken seines Reittieres gepurzelt.

Sie war ein bisschen verdutzt, als sie sah, wie der Nazgul nach unten segelte, nahm dies aber als Warnung und klammerte sich mit aller Gewalt und Kraft an dem schuppigen Rücken fest.
Der Flug war bis jetzt relativ ruhig verlaufen. Kaum Turbulenzen, kaum Erschütterungen hatten ihr bisher zu schaffen gemacht. Deswegen wagte sie es, seitlich nach unten zu sehen.
Welcher Anblick bot sich ihr! Sie befanden sich in ordentlicher Flughöhe, (hoffentlich) außer Reichweite von Pfeilen und Sonstigem, was einem in luftigen Höhen gefährlich werden konnte, aber nah genug am Boden, um einzelne Orks und Menschen ausmachen zu können. Und dort, dieser graue Berg… war das nicht etwa einer der riesigen Olifanten? Beinahe begann sie, den Flug zu genießen.

Irgendetwas war nicht so, wie es sein sollte. Mit Genugtuung hatte es bemerkt, wie das brennende Bündel, dass auf seinem Rücken gelandet war, in die Tiefe hinabfiel. Doch irgendwie vermisste es jetzt die Befehle, die sonst immer von seinem Nazgul zu kommen pflegten. Schon seit geraumer Zeit war nicht mehr ruckartig am Zügel gezerrt worden. Und auch das Gezische und Gefauche war verstummt. Seltsam.
„Ich fliege einfach gerade aus, er wird sich schon melden, wenn er in eine bestimmte Richtung will“, dachte es und flog einfach mal los, der Nase nach. Da war dieser Fluss, der so ekelig nach klarem Wasser stank… Kein Zeichen zu bemerken. Wirklich erstaunlich. Also – zurück zur Stadt. Kehrtwendung 180 Grad. Immer noch keine Reaktion. Konnte es wirklich sein…? War es möglich…?

Das Reittier begann sich wirklich seltsam zu benehmen. Es schien aus irgendwelchen ungeklärten Umständen ständig im Kreis zu fliegen… aber das war ja eigentlich klar! Schließlich wurde es ja nicht mehr gelenkt! Wie ging das überhaupt vor sich? Dort war ein Zügel… oder so…
Sie begann vorsichig, auf dem Rücken des Tieres vorwärts zu kriechen. Die Zügel lagen lose im Nacken des Tieres, es konnte ja wohl nicht so schwer sein, sie zu ergreifen… Es flog zum Glück sehr ruhig, sie musste keine Angst haben, abzurutschen. So, jetzt hatte sie die Zügel. Nur – wie lenkte man das Vieh? Und wo wollte sie überhaupt hin? Auf den Boden? Zu den ganzen Orks und Haradrim und ähnlichem? Nach Minas Tirith zurück? Oder aber… Flucht? Wo ganz anders hin? Fort von Leuten, die kämpften oder sie für eine Spionin hielten? Vielleicht überhaupt erst mal feststellen, wie man das Vieh lenkte. Sie zog vorsichtig am linken Zügel…

Etwas krabbelte auf ihm herum. Es spürte es ganz deutlich. Da war etwas. Da – jetzt zog es am Zügel! Gaaaaaaaaaanz vorsichtig! Das schien nicht sein lieber Nazgul zu sein! Der riss immer so, dass nach jedem Flug sein gesamtes Maul eine einzige wunde Masse war. Was also befand sich dann auf seinem Rücken?
Was auch immer es war – es war schwach! Wenn man auf ihm reiten wollte, musste man beweisen, dass man dessen würdig war. Man musste zeigen, wie stark man war. Stärke und einem eisernen Willen würde es gehorchen, dazu war es erzogen. Aber nicht so einem halbherzigen Gezupfe! Pah! War es nicht schließlich ein Wesen aus dem uralten Geschlecht der Gorbast, der schwarzen Langhalsflugschlangendrachen mit Verwandtschaft zu Ancalagon, dem größten Drachen, der je auf Erden gewandelt war? Und sollte es etwa so einen schwachen Hänfling auf seinem Rücken erdulden und ihn dorthin tragen, wohin sein schwaches Herz es führen wollte?
Nie im Leben! Also – runter damit!

Das Vieh begann plötzlich, ein unglaubliches Tempo vorzulegen. Was um alles in der Welt hatte sie nur falsch gemacht? Jetzt machte es eine scharfe Rechtskurve – und jetzt flog es beinahe senkrecht in den Himmel! Voller Panik klammerte sie sich am Hals des Tieres fest. Das schien dem Flügelvieh überhaupt nicht zu gefallen. Es begann, seinen Hals zu schütteln und zu bocken und sich aufzubäumen, dass ihr ganz Angst und Bange wurden. „Festhalten!“ sagte sie sich und biss die Zähne aufeinander. „Gut festhalten! Nicht loslassen! Sonst geht es abwärts!“ Und jetzt – um Himmels willen – es wollte doch nicht etwa auf dem Rücken fliegen, oder? Lieber Gott – nein – bitte…
Ihr großer Vorteil bestand allerdings darin, dass sie Todesangst hatte und deswegen an Ausdauer ihrem Reittier weit überlegen war.

Das Flügeltier sah dies irgendwann auch ein, und es hörte auf damit, wie ein betrunkenes Rotkehlchen durch die Luft zu flattern.
„Es mag zwar schwach sein, aber es bleibt oben“, überlegte es sich. „So mag es vielleicht nicht würdig sein, mir zu befehlen, aber durchaus würdig, um auf mir zu reiten. So sei es!“
Und es hörte auf mit Buckeln und Schütteln, sondern flog wieder ruhig dahin.
Wieder zupfte der Hänfling an den Zügeln. Sollte er doch. Es hatte völlig andere Probleme.
„Ich scheine meinen Nazgul verloren zu haben. Soll ich in mein Nest zurückkehren? Aber nein – einmal bin ich ohne meinen Nazgul heimgekehrt, und da war das Geschrei groß. Sie haben mich mit dieser garstigen Kette an den Felsen geschmiedet – ganze drei Jahre lang! Was kann ich denn dafür, dass er runtergepurzelt ist? Aber da fragen sie ja nicht danach!
Also – nach Hause kann ich vorerst nicht zurück. Wohin dann? Wo anders hin gehen? Aber wer gibt mir dann mein Essen? Und wird Er mich nicht trotzdem finden? Wo sind überhaupt die anderen Nazgul alle hin? Hier ist weit und breit keiner mehr zu sehen! Ich werd mal in die Wolken fliegen und nachsehen, ob sie sich da versteckt haben!“ Gesagt, getan. Es begann, höher zu steigen.

Was war nur plötzlich in dieses verrückte Vieh gefahren? Es hatte aufgehört zu Bocken, das war ja schon positiv gewesen. Aber als sie dann versucht hatte, mit dem Zügel auf es einzuwirken, hatte es sie bewusst ignoriert. Und jetzt begann es aufzusteigen! Huh! Kalt war es hier oben! Schweinekalt! Und nass! Diese blöden Wolken! Was war nur los? Ihre Finger begannen, steif zu werden. Die ideale Vorraussetzung, wenn man sich auf dem schuppigen Rücken eines fliegenden Ungeheuers festhalten musste. Es war so schrecklich kalt!
Plötzlich begann das Vieh laut zu brüllen, so laut, dass sie vor Schreck hinuntergepurzelt wäre.
„Bitte, hör auf damit!“ flehte sie innerlich. Bitte! Du machst mir Angst!“
Das schien dem Vieh völlig egal zu sein, denn es brüllte weiter seinen schrecklichen Ruf in die Wolken hinein.
„Bitte hör auf! Bitte! Und steige wieder ein wenig herunter. Nur ein bisschen, wo es nicht mehr so kalt ist…“
Das Vieh blieb oben und brüllte weiter. Allmählich verlor sie alles Zeitgefühl.
„Halte noch aus… Nur ein bisschen noch… Nur noch ein paar Stündchen…“ versuchte sie verzweifelt,  sich selbst Mut zu machen.
Und dann, endlich – hörte es auf zu brüllen. Und es begann sogar, an Höhe zu verlieren.
Sie waren aus den Wolken raus und konnten wieder auf den Erdboden blicken. Unten hatte sich einiges verändert. Da war etwas auf dem Fluss – sah nach Schiffen aus. Und daraus ströhmten unheimlich viele Gestalten auf das Schlachtfeld.

Nein, sie waren nicht oben in den Wolken gewesen. Keiner hatte auf sein Brüllen geantwortet. Schon seltsam. Was sollte es jetzt blos machen? Größte Ratlosigkeit machte sich in ihm breit. „Ich hab’s!“ durchfuhr es plötzlich ein Gedanke. „Ich werde meinen Nazgul suchen, finden und nach dem Morgultal zurückbringen! Wieso bin ich da nicht schon eher drauf bekommen?“ Weil in diesem Fall die Denkkraft umgekehrt proportional zur Körpergröße war und die Nervenbahnen nicht ummantelt, dafür aber dick wie Stahlseile waren und entfernte Ähnlichkeit zum Axon eines Tintenfisches aufwiesen. Aber davon wusste es nichts.

Und noch von einer anderen Sache hatte es keine Ahnung.
„Na toll“, dachte der Nazgul nämlich, als er endlich am Boden angekommen war. „Jetzt sitz ich hier unten an der Mauer von Minas Tirith, hab meinen Mantel und überhaupt alle Gestalt verloren und mein Reittier übt sich in Flugkunststücken über dem Schlachtfeld. Wenn ich es jetzt rufe, lenke ich nur die Aufmerksamkeit auf mich und am Boden bin ich verwundbar und hinterher geht es mir noch so wie meinem Chef. Nee, mir reicht’s. Ich geh zurück nach Minas Morgul.“ Und das tat er auch.

Also irgendwie musste das Flügelvieh eine ernsthafte Persönlichkeitsstörung besitzen. Es begann nämlich schon wieder die Flughöhe zu ändern. Nur ging es diesmal nicht nach oben, sondern nach unten. „Festhalten… Gut festhalten… Durchhalten! Durchhalten!“ Endlich stoppte das Viech seinen Sinkflug und flog auf gleicher Höhe weiter, stierte aber angestrengt nach unten. Was hatte es nur?
Plötzlich flog ein Pfeil knapp an ihr vorbei. Ach herrje! Sie waren soweit unten, dass sie in Reichweite der Pfeile waren! Wollte denn dieses bescheuerte Vieh Selbstmord begehen? „Bitte, steig wieder hinauf! Bitte!“ flehte sie innerlich.

Sie waren jetzt schon ziemlich weit unten und es konnte die einzelnen Orks gut voneinander unterscheiden. Aber keine Chance, in dem Gewühl seinen Nazgul zu finden. Wo mochte der sich nur verkrochen haben? Autsch! Etwas hatte es in den Bauch gepiekt! Autsch! Schon wieder! Nee, das waren diese stinkenden Gondoreser oder wie die hießen! Autsch! Na, zu denen würde sein Nazgul doch wohl hoffentlich nicht geflohen sein, oder? Wenn, dann war er doch sicher bei den lieben Orks oder so. Die ihm immer sein Futter brachten. Manchmal erwischte er dabei einen von ihnen mit. Aber die schmeckten ziemlich eklig.

Das Vieh änderte wieder seinen Kurs. Statt auf die Gestalten zuzufliegen, die aus den Schiffen gekommen waren, flog es jetzt auf die Reihen der Orks zu. Wieder verlor es an Höhe. Dicht über den Köpfen der stinkenden schwarzen Gestalten flog es dahin, sie konnte sie beinah bis herauf riechen… oder waren das nur die Ausdünstungen ihres eigenen Reittiers? Was hatte es nur vor?

Irgendwo hier unten musste es doch sein! So gut konnte sich doch ein Nazgul auch nicht verstecken. Man konnte ihn spüren! Aber weit und breit keine Spur von ihm zu sehen. Hm… mal gucken, daaaa… Oh, Mist! Jetzt wäre es doch beinahe in einen von diesen grauen laufenden Bergen geflogen! Autsch! Jetzt begannen auch die auf dem Berg auf es mit diesen spitzen Dingern zu schießen! Solche blöden Kerle! Pah! Na, die konnten was erleben!!!

Was machte denn dieses Teufelsvieh jetzt schon wieder! Es ging auf einen Olifanten los! Dass sich die darauf befindlichen Haradrim Pfeile hatten, schien es ja nicht im mindesten zu beeindrucken. Da – jetzt hatte es den bemalten Typ auf dem Kopf des Mumakil gepackt und heruntergeworfen! Und – Am besten gaaaanz flach machen, nicht atmen und viel beten, vielleicht würde sie dann den heutigen Tag überleben.

Aragorn machte auf einem Hügel halt und beobachtete das Schlachtfeld. Nanu- was war das? Das war doch eines der Flugviecher der Nazgul! Aber was machte es denn da? Es sah ja so aus, als würde es… einen Mumakil angreifen!!! Ja, jetzt hatte es den Olifantenführer heruntergewischt!
Und jetzt – begann der Olifant begann loszurennen, in die Reihen der Orks und diese zu zertrampeln!
„Legolas – was sieht dein Elbenauge?“ rief er zu seinem Freund herüber.
Legolas kniff die Augen zusammen und blickte angestrengt herüber.
„Was auch immer da auf dessen Rücken ist – ein Nazgul ist es auf keinen Fall!“ gab er schließlich zur Antwort.
„Na, was ist es dann?“ fragte Gimli ungeduldig.
„Das – vermag ich nicht genau zu sagen“, antwortete Legolas.
„Das vermag er nicht zu sagen! Typisch Elb! Immer angeben mit seinen Glotzerchen, aber wenn es mal wichtig ist…“ schnaubte Gimli, aber keiner beachtete ihn.

Festklammern hieß die Devise! Das Vieh war völlig durchgeknallt! Jetzt griff es den nächsten blöden Olifanten an! Wieder  presste sie sich an den schuppigen Rücken und hoffte und betete und verfluchte dieses schuppige Scheusal. Und es schien tatsächlich zu helfen! Bisher hatte sie noch kein einziger Pfeil erwischt, und das war schon beinahe ein kleines Wunder.
Das ging noch eine kleine Weile so weiter – da, der nächste Olifant rannte davon – und sie begann, sich an die Sache zu gewöhnen. Und zwar so gut, dass sie ein paar andere Dinge wahrzunehmen begann – zum Beispiel ihren verbrannten Arm. Und das war nicht wirklich angenehm. Sie biss die Zähne zusammen und hoffte, dass der ganze Albtraum bald vorbei sein würde. Da, der nächste Olifant…
Endlich ließ das Flügelvieh von seinen Angriffen ab und flog wieder ruhig über die Ork – und Haradrim – Armee dahin. Doch auch das war ziemlich nervenaufreibend, weil diese jetzt auf das Flügelvieh schoss. Mit Pfeilen und allem möglichen. Die Olifanten waren die einzig Vernünftigen – die suchten nämlich jetzt alle kopflos das Weite, wenn sich der bedrohliche fliegende Schatten näherte.

„Eomer, kannst du mir sagen, was das zu bedeuten hat?“ erkundigte Aragorn sich bei seinm Freund. „Ach, das…“ meinte dieser und zuckte die Achseln. „Das geht schon eine ganze Weile lang so. Keine Ahnung, was in es gefahren ist. Aber es nützt uns ungemein. Die Mumakil suchen völlig kopflos das Weite, wenn es auch nur näher kommt.“
„Aragorn, sieh!“ rief Halbarad plötzlich aus. Das Flugvieh war offensichtlich zu nah an einen Mumakil hingekommen, der nicht die Absicht hatte, sein Heil in der Flucht zu suchen, denn der schlug mit dem Rüssel nach ihm. Das schien das Flugvieh aus dem Gleichgewicht zu bringen, denn es stürzte ab – und zwar direkt auf den Olifanten.

Verwirrt schüttelte es sich, als es plötzlich eine Etage tiefer saß, und zwar auf dem Rücken von diesem blöden Berg. Schwerfällig watschelte es herunter. Tatsächlich – es hatte richtig gesehen. Hier lag die Leiche eines seiner Verwandten – des größten und stolzesten Gorbast, den die Welt je erblickt hatte. Und daneben lag… ein Mantel! Ein schwarzer Nazgul – Mantel! „Er ist hinweggerafft!“ dachte es und große Traurigkeit überkam es plötzlich.
Aber nur kurz. Denn da kam auf einmal eine große Heerschar von diesen schrecklichen Südländerleuten herangestürmt und krakeelte aufs Schrecklichste. „Flucht!“ dachte es, und hob die Schwingen, um sich in die Luft zu erheben… Doch was war das? Ein scharfer Schmerz durchfuhr seinen rechten Flügel! Es konnte nicht mehr abheben! Und von hinten kamen sie heran, diese Monster! „Flucht!“ dachte es noch einmal und floh dann auch tatsächlich. Zu Fuß watschelte es, weiter und immer weiter, lauter kleine spitze Gegnstände bohrten sich in seine Haut… Schmerz, immer mehr Schmerz… Plötzlich stolperte es über einen Wargen und stürzte… und dann war nichts mehr.

Sie erwachte. „Ich hab einen Mist geträumt“, murmelte sie leise.
„Oh. Aufstehen am frühen Morgen. Wie spät ist es?“ Sie drehte sich um. Das heißt, sie wollte sich umdrehen, aber ein scharfer Schmerz durchzuckte sie. „Hm, was ist das? Mein Arm ist vermutlich eingeschlafen. Wußte gar nicht, dass der so brennen kann. Wo ist denn die Weckerleuchtanzeige? Ach, ich bin in meiner Studentenbude und hab noch kein Bett. Richtig. Deswegen lieg ich auch so tief und so unbequem. Also erst mal aufstehen.“ Vorsichtig arbeitete sie sich in eine sitzende Position hoch. Dann stützte sie sich an der Wand ab und kam ganz vorsichtig auf die Beine. Sie stand langsam auf, wobei sie versuchte, ihren schmerzenden Rücken zu ignorieren. „Was hab ich denn nur getrieben?“ Endlich stand sie, noch immer an die Wand gestützt. Sie drehte sich in Zeitlupe um.
Welch ein Anblick bot sich ihr! Um sie herum lagen lauter Gestalten reglos am Boden. In einiger Entfernung schlugen seltsame Leute mit Schwertern aufeinander ein. Sie schloss die Augen, zählte bis zehn, schlug sie wieder auf. Nach wie vor ein unverändertes Bild. Langsam kam die Erinnerung zurück. „Ach ja… Genau… ich bin ja hier… aus irgendwelchen seltsamen Gründen… Hm…“ Abwesend strichen ihre Finger über die Wand, an der sie noch immer lehnte. Sie war seltsam rauh. Vorsichtig drehte sie sich wieder um. Nein, sie lehnte nicht an einer Wand. Eindeutig nicht. Es sah eher so aus, als handelte es sich um einen Olifanten. Tot, natürlich. „Ach ja. Da war was. Dieses Flügelvieh ist in einen hineingerauscht und mich hat es runter geworfen. Stimmt.“
Plötzlich war ein leises hämisches Gelächter hinter ihr zu vernehmen. Sie drehte sich um. Da stand ein kleiner, schwarzer stinkender Ork, der sie frech angrinste. In einer Hand hielt er ein großes Schwert, mit dem er ihr vor dem Gesicht herumfuchtelte.
„Oh Mann,“ rief sie aus. „Ich hätte es mir ja denken können! Ich lasse mich von Faramir einfangen, werde von Denethor in einen Stall gesperrt, entgehe knapp dem Feuertod, genauso knapp einem Sturz aus zwanzig Metern oder so auf die gepflasterten Straßen von Minas Tirith, werde beinahe von einem Nazgulflugvieh abgeworfen, überlebe einen Zusammenstoß mit einem Olifanten – nur um letztendlich von einem miesen kleinen Ork umgebracht zu werden.“
Der Ork grinste zustimmend, trat einen Schritt auf sie zu… Plötzlich wurde seine Mine starr, Schaum trat aus seinem Mund, er taumelte noch einen Schritt auf sie zu und fiel dann direkt vor ihr zu Boden. In seinem Rücken steckte ein schwarzer, gefiederter Pfeil.
Hinter ihm erschienen drei Reiter. Nein, halt, vier Reiter. Auf drei Pferden allerdings. Sie kamen schnell heran, stiegen direkt vor ihr ab und liefen die letzten paar Meter zu Fuß auf sie zu.
Nachdenklich betrachtete sie die Ankömmlinge. Ein ziemlich kleiner Typ mit Axt und extrem viel Haaren, ein schlanker, blonder, hochgewachsener Kerl mit nem Bogen in der Hand  sowie  zwei, die vielleicht nicht unbedingt als Zwillinge, aber locker als Brüder durchgehen könnten – beide hatten graue Augen, graue Kleidung, langes, braunes Haar und auch Bart, aber nicht so viel wie der Kleine. Sie wirkten  sehr besorgt.
In zwei Metern Abstand blieben sie stehen.
„Ist es das, was du gesehen hast, Legolas?“ erkundigte sich einer der grauen Brüder.
„Ja. Ich glaubte allerdings, meinen Augen nicht trauen zu können“, entgegnete der Blonde mit dem Bogen und musterte sie kritisch.
„Das ist durchaus normal“, entgegnete der Kleine.
Sie starrten sich eine Weile gegenseitig wortlos an. Dann deutete plötzlich der Graue, der schon gesprochen hatte, eine Verbeugung an, und sagte:
„Edle Frau, es freut uns, Euch lebend erblicken zu dürfen.“ Sie betrachtete ihn einen Moment etwas unsicher und beschloss, es ihm gleichzutun. Also versuchte auch sie eine kleine Verbeugung anzudeuten, ließ es aber schnell wieder sein, denn ein Schmerz, wie sie ihn noch niemals gespürt hatte, durchfuhr sie. Sie taumelte leicht nach vorne und wäre sicher gefallen, wäre nicht der Blonde blitzartig zu ihr geeilt und hätte sie aufgefangen.
„Ihr seid verletzt“, rief er aus.
„Aragorn, wir müssen sie so schnell wie möglich nach Minas Tirith bringen!“
„Du hast recht!“ rief der andere.
Ein Weilchen hing sie noch in den Armen von diesem Legolas, halb an der Grenze zur Ohnmacht, als dieser sie plötzlich packte und hochhob. Leider erwischte er  ihren verbrannten Arm. Die Welt bestand plötzlich aus einer Welle des Schmerzes, die über ihr zusammenschwappte. Dann ging das Licht aus.

Als es wieder anging, war sie nicht mehr auf dem Boden, sondern auf dem Rücken eines Pferdes in den Armen des Grauen namens Aragorn. Er hielt sie vermutlich schon so sanft, wie es irgendwie ging, es war aber trotzdem eine einzige Tortur. Immer gefährlich nah am Rande einer Bewußtlosigkeit dahinreitend, überquerten sie den gesamten Pelennor, hurtig auf Minas Tirith zustrebend. „Schon seltsam, dass sie sich so viele Umstände wegen mir machen“, dachte sie, „aber mir soll es recht sein. Müde bin ich… Völlig erschöpft… Und es tut so weh…“
Von Orks und sonstigem Unrat weitgehend verschont, weil immer am Rande der Kampfherde vorbeischleichend, gelangten sie schließlich nach Minas Tirith. Am völlig kaputten Tor erwarteten sie mehrere Männer, die einen Stapel provisorischer Tragen vor sich liegen hatten. Aragorn reichte sie behutsam einem der Männer herunter. Der fing sie auf, wobei er wieder ihren Arm streifte… alles wurde schwarz.

2. In den Häusern der Heilung

Die nächsten Stunden waren sehr unterhaltsam. Sie musste eine steile Wand hochklettern, die überhaupt kein Ende nehmen wollte. Flammen züngelten hinter ihr her und sie musste eilen, ihnen zu entkommen. Plötzlich fiel sie, stürzte hinunter, in die Flammen hinein… ihr Arm schmerzte höllisch… hart schlug sie auf. Alle Luft wurde aus ihren Lungen gepresst, sie konnte nicht atmen… etwas trug sie davon, ein Pferd mit Drachenkopf. Jemand hielt sie in den Armen… Ein Typ in grauem Mantel. Sie hob den Kopf, um ihm ins Gesicht zu sehen… er hatte kein Gesicht! Sie lag in den Armen eines Nazgul! So kalt war es plötzlich, so kalt… und plötzlich so warm! Der Nazgul brannte, aber er lachte dabei und hielt sie fest! Auch sie würde brennen!
Laut schrie sie auf, er lachte und lachte und lachte und lachte…

In sein Gelächter drang eine Stimme, leise zunächst, aber bestimmt. „Junge Frau! Junge Frau! Junge Frau! Junge Frau!“ Eins ein Echo des anderen, verklingend… das gelächter stieg wieder an… Und wieder! „Junge Frau! Junge Frau! Junge Frau! Junge Frau!“
wer war es, der da rief! Wer? Und rief er überhaupt nach ihr? Und wieder! „Junge Frau! Junge Frau! Junge Frau! Junge Frau!“
Das Gelächter stieg wieder an, es war so laut und böse und falsch… „Wenn ich nur ihren namen wüsste!“ hörte sie die ruhige stimme ganz deutlich durch das gelächter hindurch. „Junge Frau! Junge Frau! Junge Frau! Junge Frau!“
Wieder schwoll das Gelächter an, erfüllte ihren Kopf mit haltlaose Verzweiflung…
Etwas hielt ihre Hand fest. Das Gelächter war so laut, so laut… aber ihre Hand wurde ganz ruhig und bestimmt festgehalten und sie spürte, dass dieser jemand absolut nicht vorhatte, sie vorerst wieder loszulassen. Wieder brandete das Gelächter auf… aber diesmal leiser, mehr im Hintergrund, ohne die grausame Kraft, die ihm zuvor noch innegewohnt hatte…
„Junge Frau! Wach auf!“ Jetzt war die Stimme ganz deutlich, ganz klar. „Öffne deine Augen!“ Sie gehorchte.
Direkt vor ihr befand sich ein Gesicht. Das Gesicht eines Menschen, umrahmt von braunem Haar. Zwei graue Augen musterten sie forschend. „Sie ist wach“, erklärte er ihr. „Gut“, sagte sie. „Gut“, erklärten andere murmelnde Stimmen, deren Besitzer sie allerdings nicht sehen konnte. „Wer ist wach?“ erkundigte sie sich dann bei dem Mann vor ihr. Er lächelte. „Ihr seid wach. Lange habt Ihr mit dem Fieber gekämpft, und beinahe hätte es Euch verzehrt. Aber nun ist es gesunken, und ihr werdet wieder gesund. Und jetzt schlaft noch ein wenig, tapfere, junge Frau.“ Seine Lippen berührten ihre Stirn…
Tapfere junge Frau… Wie süß klangen die Worte in ihr… Sie schloss die Augen und trieb davon.

„Es schickt sich nicht!“
„Ich weiß! Aber was sollen wir denn tun? Es ist kein Platz hier. Sie bedarf der unmittelbaren Aufsicht der Heiler. Wir können sie nicht ausquartieren.“
„Aber es schickt sich nicht! Sie liegt jetzt schon drei Tage in dieser Kammer, zusammen mit zwanzig tapferen Kriegern, und sie ist zweifelsohne würdig, an ihrer Seite gebettet zu sein. Aber sie ist eine Frau!“
„Wir haben keinen Platz, und jetzt Schluss mit diesem Gerede. Sie sind alle gleich schlimm dran und ihnen ist es egal, ob ihr Bettnachbar männlich oder weiblich ist und sie haben auch keine Energie, um sich beim Bettbeziehen ihren Reizen zu widmen.“
„Worum geht es denn?“ Sie fuhren erschrocken zusammen.
„Oh, edle Frau Eowyn, haben wir euch geweckt? Entschuldigt bitte.“
„Ist schon gut. Aber worüber habt Ihr denn geredet?“
„Über nichts besonderes, wirklich…“
„Worüber?“ Eowyns Stimme war streng und befehlsgewohnt, das merkte man, obwohl sie noch immer stark geschwächt im Bett lag.
„Ach… ihr wart nicht die einzige Frau, die mitgekämpft hat, edle Frau. Es war noch eine dabei, ein wahrlich furchtloses, kühnes Mädchen. Sie ist auf dem Rücken eines Flügeltieres der Nazgul geritten und hat die Olifanten damit so verwirrt, dass sie  auf die eigenen Reihen losgegangen sind und von den Haradrim selbst getötet werden mussten.“
„Leider liegt sie jetzt schwer verletzt im Nebenzimmer, aber unter lauter Männen.“
„Und das schickt sich natürlich nicht, aber wir haben keinen Platz, sie auszuquartieren.“
Eowyn sah sich etwas unwillig im Raum um. „Hier ist doch Platz genug!“
stellte sie unwirsch fest.
„Hier?“
„In diesem Raum?“
„Bei Euch?“
„Aber… sie ist höchstwahrscheinlich nicht von edler Geburt.“
„Und manche Leute sagen, sie sei ein Spion der Haradrim!“
„Aber sie hat tapfer gekämpft, das ist die Hauptsache!“ erklärte Eowyn bestimmt. „Und deswegen kann sie ruhig in mein Zimmer verlegt werden.“

Diese Entscheidung bereute sie aber bald danach schon. Ihre neue Zimmergenossin litt unter starken Schmerzen aufgrund diverser Brandverletzungen – „Wo sie die wohl herhat?“ fragte sich Eowyn innerlich erstaunt – und sie lag meistens in einem Halbschlaf im Bett, in dem sie schauerlich stöhnte.
Eowyn rief nach einer Pflegerin.
„Kann man denn nichts für sie tun?“ wollte sie wissen.
„Ja, sicher. Sie bekommt ein Schmerzmittel etwa alle sechs Stunden. Sie müsste es eigentlich alle zwei Stunden bekommen, aber wir haben nicht die Zeit!“
„Dann gebt mir das Mittel!“ brummte Eowyn.
„Aber, edle Frau! Ihr seid selbst krank!“
„Ja, aber nicht so krank, als dass ich ihr nicht helfen könnte!“
Und sie stand auf, trat an das Bett der fremden Frau und begann, ihren Arm mit einer schmerzstillenden Salbe einzuschmieren.

Als sie die Augen aufschlug, war eine fremde, junge, schöne Frau damit beschäftigt, ihren Arm mit einer Salbe einzureiben.
„Danke!“ murmelte sie leise. „Aber ich dachte, so etwas passiert nur alle sechs Stunden?“
„Ich bin jetzt eure Privatpflegerin“, antwortete die junge Frau ruhig.
„Oh, so viel Ehre.“
„Für eine tapfere und junge Frau nicht zuviel.“
„Dann solltet Ihr Euch Eowyn zuwenden, wenn Ihr einer tapferen Frau dienen wollt. Obwohl sie es Euch vermutlich nicht danken wird. Sie soll eine sehr eigenwillige Patientin sein, die nichts von Verwöhnung hält.“
„Haltet Ihr etwas davon?“
„Also, momentan bin ich nicht abgeneigt.“ Sie lächelte schwach.
„Wieso haltet Ihr eure Taten für weniger wert als die von Eowyn?“ wechselte die fremde Frau das Thema.
„Weil Eowyn selbst tapfer ein Schwert geschwungen hat, weil sie sich mutig in eine Schlacht gestürzt hat und selbst gekämpft hat. Ich hingegen… ich wollte nie kämpfen. Ich wäre sehr zufrieden gewesen in meinem Verschlag, bis die Schlacht vorübergegangen wäre. Aber dann war da das Feuer und ich bin aus dem Fenster gesprungen, um nicht zu verbrennen, und dann war da der Nazgul, auf dessen Vieh ich gelandet bin, und dann ist der Nazgul hinuntergepurzelt und ich hab mich an dem Vieh festgekrallt und Angst und Panik gehabt, bis es endlich mit dem Olifanten zusammengerauscht ist. Viel mehr hab ich nicht gemacht. Seid Ihr jetzt enttäuscht?“
Die Fremde lächelte ein wenig.
„Nein. Denn ich halte Euch für sehr bescheiden.“
Sie wollte sich abwenden.
„Halt! Wie ist euer Name?“ rief sie plötzlich aus.
Sie drehte sich um.
„Eowyn“, sagte sie, dann kroch sie in das Bett gegenüber.

Eowyn betrachtete nachdenklich die fremde junge Frau. Es war schon seltsam. Hier saß sie, eingesperrt in diesem Zimmer, am Rande eines Abgrundes, Männer kämpften um das Überleben der Welt, so, wie sie sie kannten, ihr Onkel, den sie geliebt hatte wie einen Vater war tot…
Und sie fühlte sich froh, dass sie wenigstens dieser jungen Frau helfen konnte, die ruhig im Bett lag und schlief und sie überlegte sich, wie schön es war, die Fortschritte zu sehen, die sie täglich machte und ihren Dank zu spüren.
Jetzt brauchte die Frau aber vor allem Ruhe und Schlaf. Dabei wollte sie nicht stören.

Eowyn verließ leise das Gemach. Sie braucht für einen Moment Abstand von allem. In der Nähe, auf einer weitläufigen Terrasse, befand sich ein schöner Garten. Ihr Blick wandte sich nach Osten. Drohend leuchtete der Schein des Schicksalsberges herüber.
Hat es denn Zweck zu hoffen? fragte sie sich bang.
„Es hat immer Zweck!“ sagte eine Stimme ruhig neben ihr. Erschrocken fuhr sie zusammen. Hatte sie laut gedacht?
Ein ernster, junger Mann stand neben ihr und blickte genauso konzentriert nach Osten, wie sie es noch wenige Augenblicke zuvor selbst getan hatte. Er wandte sich ihr zu, graue Augen blickten in die ihren und mit sanfter Stimme sagte er: „Es tut mir leid, Euch erschreckt zu haben, edle Frau. Doch ich sah euch so alleine an dieser Brüstung stehen und mutmaßte einen Kummer bei Euch. Deswegen wollte ich nachsehen, ob ich Euch helfen kann.“
Sie betrachtete ihn einen Moment nachdenklich, dann antwortete sie:
„Ich glaube nicht, dass Ihr das könnt, aber danke.“
Sie standen schweigend einige Zeit lang. Plötzlich lachte sie leise und traurig auf.
„Es ist schon merkwürdig. Lange Jahre wollte ich in den Krieg ziehen und Ruhm und Ehre gewinnen, und jetzt habe ich beides erreicht, aber es bedeutet mir nichts. Ich bin nur traurig über den Tod meines Onkels. Als ich vor zwei Tagen noch im Bett lag, dachte ich, es sei alles umsonst. Alles sei verloren und es sei mein Leben nur noch ein nutzloses Warten auf den Tod. Aber dann… Es gibt eine junge Frau, die meiner Hilfe bedarf. Die große Schmerzen erleidet und der keine Linderung gebracht wird denn durch mich. Und ihr Dank, so scheint mir, ist das schönste, was es je auf Erden gab. Wie vergänglich und glanzlos ist Kriegsruhm! Doch jetzt, wo ich hier stehe, erscheint mir solches Denken wiederum sinnlos. Denn ich fürchte, dass an Heilern kein Bedarf sein wird, nur an Waffentüchtigen, um das Ende noch etwas hinauszuzögern.“
„Ihr habt Recht, die Sache mutet sehr hoffnungslos an“, erwiederte der Mann nach kurzem Schweigen, „aber ich habe das Gefühl, dass es noch Hoffnung gibt. Als ich im Fieber daniederlag und bar aller Hoffnung auf Leben war, kam einer, der mich wieder erweckte, der meine Hoffnung wiedererweckte, mein König. Und solange er noch auf Erden wandelt, hat mich die Verzweifelung noch nicht im Griff.“
„Der König“, hauchte Eowyn, dass es kaum zu hören war. „Auch ich verdanke ihm mein Leben. Ich hielt ihn einst für den Mann meines Herzens. Jetzt… ist diese Gefühl gänzlich verblasst… Seit der Schlacht habe ich nicht mehr an ihn gedacht.“
Und sie war selbst erstaunt, als ihr das auffiel. Sie hatte wieder ihren Blick nach Mordor gerichtet.
„Ich werde jetzt in meine Gemächer zurückgehen“, sagte sie nach einer kurzen Pause mit kraftvollerer Stimme. „Es könnte gut sein, dass sie mich braucht.“
Erneut wandte sie sich an den Mann neben ihr.
„Ich danke Euch. Wie ist Euer Name?“
„Faramir, Denethors Sohn.“ Sie blickte ihn ruhig an, dann nickte sie langsam, sagte aber nichts mehr.
„Ich würde mich freuen, Euch noch öfter hier sehen zu dürfen“, fuhr Faramir zögernd fort. „Dieser Garten steht Euch offen!“
„Vielen Dank!“ sagte sie, dann wandte sie sich ab und ging gemessenen Schrittes zurück in die Häuser der Heilung. Auf ihrem Gesicht war beinahe etwas wie ein Lächeln zu sehen. Die Hoffnung war in ihr Herz zurückgekehrt.

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