Twitterroman Black Box

Twitterroman – das ist die neue Romanform, die Jennifer Egan mit ihrem Agententhriller Black Box geprägt hat. Die US-amerikanische Autorin hat es geschafft, auf 96 Seiten einen Roman zu verfassen, dessen sämtliche Abschnitte aus maximal 140 Zeichen bestehen – also einem Tweet. Spiegel Online konnte der Versuchung offenbar nicht widerstehen und twittert den Roman in der Zeit vom 05. August bis zum 16. August 2013. Das Buch erschien am 07. August 2013.

 

Die Story von Black Box

Worum geht’s in Black Box? Die einzelnen 140-Zeichen-Abschnitte beschreiben die Agententätigkeit einer 33-jährigen Frau. Diese ist offensichtlich US-Amerikanerin und sehr patriotisch veranlagt. Deswegen lässt sie sich auf ein riskantes Spiel ein: sie verführt einen nach ihren eigenen Angaben brutalen und skrupellosen Mann, um an Informationen zu gelangen. Diese speichert sie mit Hilfe von technischen Hilfsmitteln – Chips, in in ihrem Körper implantiert sind und über die sie Signale geben kann. Ihr Mann weiß darüber Bescheid und billigt ihr Tun.

Der Twitterroman beschreibt auf der einen Seite die Gefühle der jungen Frau und gibt zugleich auch Anweisungen wieder, die aus einem Agentenlehrbuch stammen könnten. Die Frau beschreibt zum Beispiel die Taktiken und Gedankenspiele, die sie anwendet, um sich auf sexuelle Kontakte mit dem Verbrecher einlassen zu können – oder auch, was das richtige Verhalten in Bezug auf andere Gespielinnen der Reichen, Mächtigen und Skrupellosen ist.

Lesenswert oder Schrott?

Meine persönliche Meinung: Auf der einen Seite verrät die Agentin mit ihren Tweets sehr viel von ihren Gefühlen. Der Leser kommt ihr sehr nah. Durch die einzelnen kleinen Schnipsel bleibt jedoch eine gewisse Distanz zu ihr gewahrt – insbesondere auch durch die Passagen, die aus einem Agentenhandbuch zu stammen scheinen. Einige Worte, die immer wieder vorkommen wie “Schönheiten” für die Gespielinnen der Männer und “Heldin” als Titel für die Agentin empfand ich persönlich als störend und überzogen. Vielleicht sind diese in der englischen Originalversion besser übersetzt. Und ich kann mir auch nicht vorstellen, dass sich diese heldenhafte patriotische Tat nicht doch negativ auf die Beziehung der Agentin zu ihrem Ehemann auswirken könnte.

Wird der Twitterroman sich durchsetzen?

Werden nun alle namhaften Autoren Twitter-Romane schreiben? Davon ist wohl nicht auszugehen. Der Twitterroman Black Box von Jennifer Egan hat sicherlich seinen Reiz, ist gut durchdacht und bleibt seinem Prinzip treu. Doch ich halte es für nicht sehr wahrscheinlich, dass sich der Twitterroman durchsetzen wird. Sicherlich wird es noch weitere Autoren geben, die Twitter oder andere Social Media benutzen und neue Formen entwickeln. Die Frage aber bleibt, wie sich so eine emotionale Handlung aufbauen lässt, bei der man wirklich mit den Personen mitfühlt. Ich behaupte, dass bisher noch keine Form entwickelt wurde, die den klassischen Roman ersetzt.

Über Jennifer Egan

Jennifer Egan wurde am 6. September 1962 in Chicago Illinois geboren. Die US-amerikanische Schriftstellerin gewann 2011 für Der größere Teil der Welt (Originaltitel A Visit From the Goon Squad) den Pulitzer-Preis.