In der Serie Vikings spielen starke Frauen eine große Rolle – allen voran die Wikinger-Schildmaid Lagertha (auch Ladgerda, Ladgertha oder Lagertha). Doch gab es sie wirklich?

Lagertha bei Saxo Grammaticus

Das 9. Buch der Gesta Danorum (Geschichte der Dänen) des Saxo Grammaticus aus dem 12. Jahrhundert ist die einzige historische Quelle zu Lathgertha. Für ihre historische Existenz gibt es keine unmittelbaren Belege. Laut Saxo war sie eine nordische Schildmaid, eine lokale Herrscherin in Norwegen und erste Gemahlin des dänischen Wikinger-Helden Ragnar Lodbrok, mit dem sie drei Kinder hat.
Der Chronist schildert in seinem Werk, dass der schwedische König Frø (Frö, altnordisch Freyr) in Norwegen einfällt, den dortigen König Sywardus erschlägt und die Frauen von dessen Hof zur Prostitution zwingen will. Der Enkel des erschlagenen Norwegerkönigs, Ragnar, zieht daraufhin mit einer Streitmacht nach Norwegen, um seinen Großvater zu rächen. Viele der gedemütigten Hoffrauen finden sich nicht mit ihrem Schicksal ab, sondern sammeln sich bewaffnet und in Männerkleidung zur Gegenwehr und verhelfen so Ragnar zu seinem Sieg über Frö, der im Kampf fällt. Wörtlich schreibt Saxo: „Unter diesen [Frauen] war auch die Lathgertha, eine kriegserfahrene Frau, die mit männlichem Mute in der jungfräulichen Brust, mit ihrem auf die Schultern fallendem Haare voran unter den tüchtigsten Streitern kämpfte.“

Ragnar verliebt sich in die junge kriegerische Frau. Er hält um ihre Hand an, worauf sie ihm mitteilen lässt, dass sie ihn in ihrem Palast erwartet. Ragnar reist mit einem Schiff zu ihr. Am Hoftor warten als Prüfung ein Bär und ein Hund auf ihn. Ragnar erschlägt die beiden Bestien und Lathgertha willigt in die Ehe ein. Die Schildmaid schenkt ihm zwei Töchter und einen Sohn. Ragnar verlässt Lathgertha jedoch, nachdem er sich in die Prinzessin Thora verliebt hat, die er bald darauf heiratet.

Die zweite Ehe der Lagertha

Auch Lathgertha heiratet erneut. Als ihr früherer Gemahl Ragnar mit seinen Seeländern von den Jüten und Schonen unter ihrem König Harald bedrängt wird, bittet er seine verstoßene Gattin um Unterstützung. Da ihre „erste Liebe […] ihr Herz noch zum Überströmen“ erfüllt , eilt sie ihm tatsächlich mit ihrem neuen Mann, ihrem Sohn und 120 Schiffen zu Hilfe. Wieder ist es Lathgertha, die durch ihr Kampfesgeschick Regner zum Siege verhilft, so dass Harald die Flucht ergreift. Nach ihrer Heimkehr ersticht Lathgertha ihren zweiten Gemahl, so dass sie in ihrem Reich nun allein herrschen kann. Saxo schreibt hierzu laut Paul Herrmanns Übersetzung (9, 4, 11, 4): „Der trotzige Sinn der Frau wollte nicht das Reich mit dem Gemahle teilen, sondern ohne Mann herrschen.“ Hiermit endet Saxos Darstellung von Lathgerthas Leben. Über ihr weiteres Leben und ihren Tod erfahren wir nichts. Lathgerthas zweiter Gemahl wird nicht beim Namen genannt, und die Vermählung der beiden taucht im Bericht nicht auf.

Der Chronist saxo hat keine hohe Meinung von Lagertha als Schildmaid – er beschreibt sie als arglistig bei der „Begrüßung“ Ragnars durch die beiden Bestien, und besonders beim Mord an ihrem zweiten Ehemann, für den „der trotzige Sinn der Frau, […] ohne Mann [zu] herrschen,“ ausschlaggebend gewesen sei. Saxo als Christ sah in Frauen wohl lediglich sexuelle Wesen. Die Wikinger-Kriegerinnen waren dementsprechend beispielhaft für die Unordnung im alten heidnischen Dänemark, die erst durch die Kirche und eine stabile Monarchie beseitigt wurden.

Mehr lesen: Mythos Schildmaid – gab es die Wikinger Kriegerinnen wirklich?

Lagertha und Aslaug in der Serie Vikings

Die historische Serie Vikings vermischt zwei historische Erzählungen:

  • die bereits erwähnten Gesta Danorum von Saxo Grammaticus
  • Die nordische Saga von Ragnar Lodbrok

Lagertha kommt dabei nur bei Saxo vor.

In der Saga von Ragnar Lodbrok ist Ragnar zunächst mit Thora verheiratet. Erst nach ihrem Tod trifft er auf Aslaug, die Tochter Siegurd dem Drachentöter und der Walküre Brynhild, was allerdings zunächst nicht bekannt ist. Nachdem er ihr ein Rätsel aufgetragen hat, das sie erfüllt, heiratet er sie. Aslaug schenkt ihm vier Söhne, an deren Seite sie zeitweise mit in die Schlacht zieht. Da Ragnar denkt, dass Aslaug nicht adelig ist, verlobt er sich heimlich mit Ingeborg, einer schwedischen Prinzessin. Aslaug schenkt Ragnar jedoch einen fünften Sohn, der das Zeichen Sigurds des Drachentöters trägt. Daraufhin löst Ragnar die Verlobung wieder.

Historische Einordnung

Die Berichte über Lagertha sind wohl großenteils fiktional. Dabei schöpfte Saxo bei der Beschreibung von Lathgertha und anderer Kriegerinnen wohl aus den klassischen Legenden von Amazonen aus dem Altertum, wahrscheinlich aber auch aus unbekannten altnordischen, insbesondere isländischen Quellen. Dazu ist es möglich, dass Lathgertha mit Thorgerd identisch ist, einer in Jómsvíkinga saga und anderen Sagen auftauchenden Göttin. Diese wurde von dem norwegischen Herrscher Haakon (937–995), verehrt und wohl auch geehelicht. Das Gølerdal, in dessen Gegend Lathgertha laut Saxo lebte, war ein Zentrum des Thorgerd-Kults. Laut Snorri Sturluson lebte auch Haakons Gemahlin Thora hier. Nicht zuletzt ähnelt Saxos Beschreibung der Lathgertha mit ihrem wallenden Haar, die Ragnar zu Hilfe eilt, den Darstellungen der Thorgerd und ihrer Schwester Irpa, die Haakon helfen.

Mehr lesen

Das könnte dich auch interessieren:

Gladiatorinnen im alten Rom